Ein italienischer Opernkomponist aus der Pfalz

Papa Haydn, Papa Mayr?

Giovanni Simone Mayr, der Lehrer von Gaetano Donizetti, galt schon zu Lebzeiten als "Vater der italienischen Oper", Napoleon bot ihm den Posten des Operndirektors in Paris an: ein Komponist von Weltrang aus der Bayerischen Oberpfalz.

Ausschnitt aus Mayrs "Fedra"

"Schon beim Namen von Mayr verneigen sich alle, und (...) wenn man ihn compà Simone nennt, sagen sie, dass es nichts darüber hinaus gibt!" Das schreibt der prominenteste Mayr-Schüler Gaetano Donizetti 1830 aus Neapel an den fast 70-jährigen "Papa Simone". Genauso wenig wie Joseph Haydns Musik aber "Papa"-haft ist, ist es die von Giovanni Simone Mayr, der den Ton der Wiener Klassik in die italienische Oper brachte und noch zu Rossinis Zeiten - 1820, gegen Ende seiner eigenen Opernlaufbahn - ein so nobles Stück komponieren konnte wie die zwischen Klassizität und Dramatik balancierende "Fedra".

2008 wurde "Fedra" im Staatstheater Braunschweig wieder aufgeführt, ein CD-Mitschnitt davon ist vor kurzem erschienen. Das Theater St. Gallen bereitet für den Oktober 2009 die Schweizerische Erstaufführung von Mayrs "Medea in Corinto" vor, im Februar 2010 folgt das Theater Regensburg mit der Wiedererweckung von Mayrs "Il ritorno d'Ulisse". Die antiken Stoffe in diesen rund um 1810 entstandenen Opern wirken wie Nach-Echos der Metastasianischen Opern-Konventionen des 18. Jahrhunderts. Mayrs Musik hingegen ist Voraus-Echo von Rossini, Bellini, Donizetti.

Von Ingolstadt nach Bergamo

Zwischen 60 und 70 Opern hat der 1763 im Bayerischen Mendorf als Johann Simon geborene Giovanni Simone Mayr, der mit Mitte 20 und als Musiklehrer mit seinem adeligen Dienstherren nach Italien ging und dort blieb, geschrieben. Eine jede von ihnen, die im Lauf unserer Zeit wieder ans Tageslicht kommt, auch dank der in Ingolstadt sitzenden Giovanni-Simone-Mayr-Gesellschaft, macht ihrem Komponisten Ehre. Daheim in Ingolstadt spielte der Heranwachsende die Orgel, inhalierte die Ideale der französischen Aufklärung, studierte Theologie, Philosophie, Medizin, Jura und Kanonisches Recht.

In Italien fand er sich zunächst in Venedig Ferdinando Bertoni, Maestro di Cappella an San Marco und Komponist eines mit Gluck konkurrierenden "Orfeo", als Lehrer, um dann in Bergamo hängenzubleiben - für die nächsten 45 Jahre. Von 1802 bis zu seinem Lebensende 1845 wirkte Giovanni Simone Mayr, wie er sich nun nannte, in Bergamo als Kapellmeister an Santa Maria Maggiore. Er organisierte Konzerte, brachte die Musik von Ludwig van Beethoven nach Italien und rief eine Musikschule ins Leben, die auch Gaetano Donizetti besuchte.

Mayr als Rossini-Vorläufer

Kirchenmusik machte Giovanni Simone Mayrs Namen bekannt, Komponisten-Kollege Giovanni Pacini aber drängte ihn, eine Opern-scrittura anzunehmen. 1794 mit "Saffo" war es so weit; eine "Lodoiska" wie bei Cherubini, ein "Telemaco" wie bei Gluck, ein "Adriano in Siria" wie bei Johann Christian Bach folgten, neben vielen anderen Titeln. In der knapp nach der Jahrhundertwende komponierten "Ginevra di Scozia" wirkte bei der Triestiner Premiere zwar noch ein Kastrat mit - alte Schule! -, aber das Tor zum "Belcanto" stand bereits weit offen.

Wer eine Mischung aus Wiener Klassik und frühromantischer Italianità sucht, ist bei Giovanni Simone Mayr immer richtig. Und wer in die Rossini-Opern der Zeit eingehört ist, findet bei Mayr schon ganz die spätere Rossinianische opera-seria-Formsprache, mit etwas weniger Zierwerk und mehr Rhetorik.

"Deutsche" Schule, "italienisches" Feuer

"La rosa bianca e la rosa rossa" mit ihrem Stoff aus den englischen "Rosenkriegen" legt die Schiene für Donizettis Königsdramen-Opern von "Anna Bolena" bis "Roberto Devereux", "Medea in Corinto" geht musikalisch mit Rossinis "L'assedio di Corinto" weiter. Aber ganz egal, wie viel ein Rossini, ein Donizetti von der in Italien ab etwa 1800 allgegenwärtigen Musiksprache von Giovanni Simone Mayr profitiert haben: alle erwähnten Opern - man kann es nachhören, sie sind sämtlich im Lauf der letzten 20 Jahre wieder ans Tageslicht gekommen - sind einfach großartig gut gemacht, vom reifen Giovanni Simone Mayr, und von einer musikalischen Sorgfalt, für die die Jüngeren im Opern-Alltagsbetrieb oft nicht mehr die Zeit hatten.

In Instrumentations-Finessen steht er Giacomo Meyerbeer, der dafür berühmt war, um nichts nach, die Eleganz des musikalischen Satzes verweist auf die "deutsche" Schule - oder besser: auf Haydn, Mozart, Beethoven, mit denen Mayr im Gegensatz zu den italienischen Opern-Akkordschreibern seiner Zeit groß geworden war.

Voll Ausdruck und Tränen

Giovanni Simone Mayrs späte Jahre waren überschattet von seiner Erblindung. Er blieb dennoch so weit wie möglich aktiv, "daheim" - was nun Bergamo bedeutete. Auch die jüngere Generation spendete "compà Simone" Anerkennung, und zu Mayrs Begräbnis 1845 in Bergamo reiste sogar Giuseppe Verdi an, der Opern-Herold des neuen Italien.

"Ich bitte Dich", hatte aus dem Paris der 1830er Jahre Vincenzo Bellini brieflich einem Freund aufgetragen, Mayr "herzlich von mir zu umarmen und ihm zu wiederholen, dass mein Herz seine Gesinnungsart dem Studium verdankt, das ich seinen vorzüglichen Kompositionen weihte, die voll Ausdruck und Tränen sind. Sage ihm, dass hier in Paris kein Gespräch über Musik stattfindet, in dem nicht seines Namens ehrenvoll gedacht wird."

Hör-Tipp
Apropos Oper, Donnerstag, 9. April 2009, 15:06 Uhr

Link
Giovanni-Simone-Mayr-Gesellschaft Ingolstadt