Ein historisches Konzertereignis

Alfred Brendels Abschiedskonzert in Ö1

Alfred Brendel hatte beschlossen, auf der "Hochebene" seiner Karriere dem Konzertpublikum Adieu zu sagen. Für sein letztes Konzert hatte er den "Goldenen Saal" im Wiener Musikverein auserkoren.

Den Zeitpunkt, an dem das Publikum ihn verehre, weil er das eine oder andere "noch" recht gut spielen könne, wollte er nicht abwarten. Er hatte beschlossen, auf der "Hochebene" seiner Karriere dem Konzertpublikum Adieu zu sagen. Und für sein letztes Konzert hatte er den "Goldenen Saal" im Wiener Musikverein auserkoren: Am 18. Dezember 2008 haben die Wiener Philharmoniker unter der Leitung von Sir Charles Mackerras mit ihm ein Mozart-Konzert gespielt, das Konzert in Es-Dur, "Jeunehomme", KV 271.

Bereits im Juni 2008 - im Rahmen der Wiener Festwochen - hatte er - ebenfalls in diesem traditionsreichen Saal - sein letztes Solorecital-Programm vorgetragen.

Sorgfalt und Konzentration

Keine Frage: Solche historischen Konzertereignisse sollten aufgenommen, gesendet und dokumentiert werden. Doch so einfach ist das nicht: Alles, was Brendel sich vornimmt, macht er mit höchster Sorgfalt und Konzentration. Auch Radioaufnahmen ließ er nie "so nebenher" entstehen. Er fühlte sich für das Gesamtergebnis verantwortlich und überwachte die Aufnahmen von Beginn an bis zur "edierten sendefertigen Fassung".

Das bedeutete - auch für ihn - großen Aufwand! Vor einigen Jahren war ihm das alles doch zu viel geworden, und er lehnte Radio-Aufnahmen von da an grundsätzlich ab. Umso mehr freute uns, dass er - was das Solorecital und das Konzert mit den Wiener Philharmonikern betrifft - nun doch wieder mit sich reden ließ und einen Mitschnitt unter bestimmten Bedingungen nicht mehr ausschloss. Das Vertrauen zu den Aufnahmeteams von Ö1, in jahrelanger Zusammenarbeit gewachsen, schien also noch zu bestehen.

Arbeit am Klang

Juni 2000: Die Probe zu einem Solorecital im Montforthaus Feldkirch ist zu Ende, eine Probe, die von einem unserer Aufnahmeteams mitgeschnitten worden ist. Danach gibt es eine Besprechung mit Alfred Brendel. Erwartungsvoll stellt das Team dem großen Interpreten die Frage, ob er mit dem "Sound" der Aufnahme zufrieden sei. Der Wahl-Londoner Brendel korrigiert rasch: "Sagen Sie nicht 'Sound'! Dieser Begriff bezeichnet etwas ganz anderes. Sagen Sie 'Klang'!".

Damit ist allen klar, dass für jemanden, dessen künstlerische Persönlichkeit Jürgen Otten in einem Artikel als "Generalsekretariat für Genauigkeit und Seele" bezeichnet hat, auch die "Terminologie" genau sein muss. Man spricht nun nur über "Klang", und Alfred Brendel macht einige kritische Anmerkungen und gibt auch gleich konkrete Anregungen, wie man den Klang etwas anders, räumlicher, weicher und doch sein Spiel präzise nachzeichnend gestalten könne.

Der Weg zur Sendegenehmigung

Das Aufnahmeteam reagiert prompt: Für den Konzertabend wird die Mikrofonaufstellung abgeändert, und einige Einstellungen am Regietisch werden nochmals überprüft. Wenige Tage nach der Aufnahme erreicht ein Fax aus London das Management des Konzertveranstalters: Alfred Brendel teilt darin mit, dass der Klang, den das ORF-Team am Konzertabend zustande gebracht habe, genau seinen Vorstellungen entspräche.

Große Freude beim Produktionsteam (u. a. bei Tonmeister Wolfgang Fahrner und Aufnahmeleiter Florian Rosensteiner), aber man weiß genau: Eine Sendegenehmigung ist das noch nicht, denn nun folgt die "Genauigkeit nach der Aufnahme". Und die besteht darin, dass eine potenzielle "Sendeversion" als CD nach London zur Beurteilung geschickt wird. Alfred Brendel hört sie sich höchst konzentriert an, selbstkritisch und aufnahmekritisch. Und er sucht den Dialog mit dem Aufnahmeteam, schriftlich per Fax oder telefonisch. Dann - nach einiger Zeit - wird eine weitere CD zur Beurteilung nach London geschickt, bis Alfred Brendel "grünes Licht" gibt.

Werkauswahl mit Symbolcharakter

Eine Sendegenehmigung des "Philosophen am Klavier" ist für uns ein hohes Gut, das größtmöglichen Einsatz und besondere Beharrlichkeit rechtfertigt.

Das zeigte sich auch anlässlich seiner Abschiedskonzerte in Wien: Das Solorecital haben wir bereits am 4. Jänner gesendet. Und das "Jeunehomme"-Konzert von Mozart wird nun am Ostermontag folgen. Brendel ist ja in seinem Inneren ein "Jeunehomme" geblieben. Insofern hatte die Werkauswahl Symbolcharakter.

Hör-Tipp
Matinee, Montag, 13. April 2009, 11:03 Uhr

Link
Alfred Brendel