Drei Jahre Patientenverfügung

Verfügung ohne Wirkung?

Seit 2006 gibt es in Österreich ein Gesetz, wonach Patienten medizinische Eingriffe per Verfügung ablehnen können. Doch wie eine Studie kürzlich gezeigt hat, erfahren die Intensivmediziner kaum von den vorhandenen Patientenverfügungen.

Claus Georg Krenn, ÖGARI

Seit 2006 gibt es in Österreich ein Gesetz, wonach Patienten medizinische Eingriffe per Verfügung ablehnen können. Wer eine Patientenverfügung erstellt, muss das eigene Sterben sehr konkret durchdenken, Ängste überwinden und dem Tod ins Auge blicken. Ingrid Kern hat sich mit ihrem eigenen Tod bereits auseinandergesetzt. Sie lebt in einem betreuten Wohnhaus, wo sie mit dem Ableben anderer Bewohner immer wieder konfrontiert wird.

"Ich habe das Sterben meiner Mutter miterlebt. Sie hat wochenlang gelitten. Der Tod ist ohnedies schon schmerzlich genug, doch wenn man sieht, wie ein Angehöriger zusätzlich leidet und nicht sterben darf, tut es noch mehr weh", erzählt Ingrid Kern. Das wollte sie ihrem einzigen Sohn unbedingt ersparen. Deshalb hat sie eine Patientenverfügung erstellt. "Ich möchte nicht an irgendwelchen Schläuchen hängen", sagt sie. Obwohl Ingrid Kern eine Patientenverfügung erstellt hat, befürchtet sie, dass ihre Wünsche im Ernstfall nicht beachtet werden. Die Ängste sind nicht ganz unbegründet.

Intensivmediziner haben kaum Erfahrung mit Verfügungen

Die Intensivmedizinerin Eva Schaden hat noch nie jemanden betreut, der eine Patientenverfügung hatte. Das machte sie stutzig. Gemeinsam mit der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI) startete sie eine österreichweite Studie. Auch ihre Kollegen hatten verschwindend selten mit Patientenverfügungen zu tun. Von 241 befragten ärztlichen Leitern an Intensivstationen haben 139 geantwortet. Von diesen hatten 30 Prozent noch nie mit einer Patientenverfügung zu tun und nur neun öfter als zehn Mal.

Gerade für Intensivmediziner wäre es oft sehr hilfreich, den Wunsch der Patienten zu kennen, bestätigt der Vizepräsident der ÖGARI Claus Georg Krenn: "Intensivmediziner wollen wissen, wie ihre Patienten zum Tod und zu Krankheit stehen. Es ist schwierig, den Wunsch der Patienten herauszufinden". Wer auf der Intensivstation landet, ist oft nicht mehr bei Bewusstsein. "Wir versuchen dann, mit den Angehörigen zu sprechen, um etwas über die Einstellung des Patienten zu erfahren, doch besser wäre es, die tatsächliche Meinung des Patienten zu kennen", so der Arzt.

Die bürokratischen Wege sind holprig

Es gibt zwei Arten von Patientenverfügungen: die verbindliche und die beachtliche. Beachtliche Patientenverfügungen sind für den Arzt nicht bindend und werden lediglich als Richtschnur bei Entscheidungen über weitere Therapiemaßnahmen herangezogen. Verbindliche Patientenverfügungen müssen gemeinsam mit einem Arzt erstellt werden und werden bei einem Notar, Rechtsanwalt oder der Patientenanwaltschaft hinterlegt. Der behandelnde Arzt muss den darin festgeschriebenen Willensäußerungen des Patienten Folge leisten.

Doch für die Ärzte besteht keine Verpflichtung, von sich aus in den Registern nachzuforschen, ob eine Patientenverfügung besteht. Deshalb muss eine Vertrauensperson, oder der Patient selbst darauf hinweisen. Derzeit gibt es kein einheitliches Register, in dem alle Patientenverfügungen verzeichnet sind.

Finanzieller Aufwand
Etwa 13.000 Patientenverfügungen sind bei Rechtsanwälten hinterlegt, ungefähr 2.000 bei Notaren und etwa weitere 1.500 bei den Patientenanwaltschaften. In den Schubladen der Patienten fänden sich sicher noch einige mehr, meint Studienautorin Eva Schaden.

Der Wiener Patientenanwalt Konrad Brustbauer sieht in der Dreiteilung der Registrierung das größte Problem des Gesetzes. Doch auch der finanzielle Aufwand für die Patienten ist nicht zu unterschätzen. Bis zu 500 Euro kann das nötige Arzthonorar, die Rechtsberatung und Registrierung kosten. Eine verbindliche Patientenverfügung ist zudem alle fünf Jahre zu erneuern.

Mehr dazu in oe1.ORF.at
Patientenverfügung - Was ich erlaube und untersage
Online-Infomappe - Patientenverfügung

Hör-Tipp
Moment, 21. April 2009, 17:09 Uhr