Kein Mangel an Belcanto-Stimmen

Neue CDs für Fans des Belcanto

Keine faden Arienplatten mehr! Juan Diego Florez und Elina Garanca zeigen, dass es auch anders geht. Garanca etwa mit Ausschnitten selten zu hörender Opern. Dazu: neue Bellini- und Donizetti-Opern-Gesamtaufnahmen für Fans des Belcanto.

2009 steht für Elina Garanca im Zeichen von "Bel Canto": Ihre gleichnamige CD bietet über weite Strecken lange Ausschnitte - komplette Szenen! - aus ausgefallenen Opern von Bellini und Donizetti, statt eines "best-of"-Programms althergebrachter Titel. Im November des Vorjahres fanden in Bologna die Aufnahmen statt, diesen Februar war die CD bereits am Markt, um im Zusammenhang mit diversen Live-Auftritten von Elina Garanca vermarktet zu werden.

Der Bogen spannt sich von Rossinis "Tancredi" bis zu Donizettis "Maria Stuarda", wo die Mezzosopranistin die Rolle der Elisabetta übernimmt. Die englische Queen Elizabeth, Gegenspielerin der schottischen Queen Mary: eine denkbare künftige Bühnenrolle von Elina Garanca?

Interessante Raritäten

Besonders ins Auge springen natürlich die Werk-Raritäten: Wann begegnet man Bellinis Studenten-Oper "Adelson e Salvini"? Wann lässt sich Donizettis "L'assedio di Calais" schon in Studio-Perfektion kennenlernen, nicht "live" in fragwürdigen Aufnahmen aus italienischen Provinztheatern?

In "L'assedio di Calais" ist der todesmutige Aurelio Elina Garancas Rolle, und ein berauschendes Duett zwischen diesem Aurelio und seiner Eleonora - die Sopranistin Ekaterina Siurina singt sie - gehört zu den Höhepunkten der "Bel Canto"-CD, an der auch Ildebrando d'Arcangelo und Matthew Polenzani mitgewirkt haben.

Florez in Höchstform

Juan Diego Florez hat bei seiner schon etwas länger vorliegenden Platte mit dem Titel "Bel Canto Spectacular" ebenfalls neue Wege betreten, indem er - zur Abwechslung zwischen tatsächlich spektakuläre Florez-Soli eingestreut - namhafte Kolleginnen und Kollegen zum Duett gebeten hat. Da hat ein Placido Domingo seinen Auftritt als Otello, aber nicht von Verdi, sondern von Rossini; da gurgelt Daniela Barcellona zu Florez' elegantem Heldenton in Rossinis "Viaggio a Reims".

Patrizia Ciofi, die gerade eben in Mailand in "Viaggio"-Aufführungen an der Scala mit dabei war, ist Partnerin von Juan Diego Florez bei einem Duett aus der rührenden "Linda di Chamounix", das von Liebe unter Schmerzen erzählt und Melodie-gesegnet ist wie alles Beste von Gaetano Donizetti.

Und zu den Highlights von "Bel Canto Spectacular" gehört eine lange Szene Elvira-Arturo aus Bellinis "I Puritani", in der Anna Netrebko mit dem Tenor gemeinsam singt: nicht nur ein Wiederseh-Duett, sondern auch eines, in dem die Erinnerung Elvira aus ihrem Wahnsinn reißt, so, dass Arturo das Herz fast übergehen will vor Freude. Besser als Juan Diego Florez kann man das nicht machen, und Anna Netrebko ist auch hier nicht eine "virtuosa", sondern eine Frau mit Seele.

Bellinis "I Capuleti e i Montecchi" aus Wien

Opernfans hätscheln ja gerne ihre Sentimentalität, manchmal mit Augenzwinkern. Wenn alles derart stimmt wie bei der neuen Komplett-Aufnahme von Vincenzo Bellinis "I Capuleti e i Montecchi", kann das Lob der Vergangenheit aber gut Pause machen. April 2008, Wien als Schauplatz einer lang davor schon heiß begehrten konzertanten Aufführung im Konzerthaus, Haupt-Attraktionen: Anna Netrebko und Elina Garanca - die übrigens mittlerweile das Stück auch auf der Bühne gemeinsam gesungen haben, in London am Covent Garden, und mit genauso viel Erfolg.

Wenn es in Wien live einen verrutschten Ton gab (es gab ihn): Für die CD wurde er ausgebessert, und auch an den Jubel des Publikums erinnert man sich, findet ihn in der aufs Klang-Ideal hin "geputzten" Version aber nicht wieder, die dieses Frühjahr in den Handel gekommen ist, mit einer aufregend katzenäugigen Elina Garanca am Cover, und Anna Netrebko in ihren Armen. Ein Hochglanz-Produkt, auf den großen Markt abzielend? Sogar Jürgen Kesting, der Unerbittliche, war (in der FAZ) höchst angetan.

Donizettis "Imelda de' Lambertazzi"

Am 11. März 1830 hatten die "Capuleti" mit ihrer Romeo-und-Julia-Geschichte in Venedig Premiere. Am 5.September 1830 reichte in Neapel Gaetano Donizetti mit "Imelda de' Lambertazzi" eine Oper nach, die so gut wie die gleiche Handlung erzählt, aber eingepackt in mittelalterliches Guelfen- und Ghibellinen-Ambiente. Nach ein paar Jahren kam Besseres von Donizetti und "Imelda" geriet in Vergessenheit, für eineinhalb Jahrhunderte.

2007 gab es in London eine konzertante Wiederaufführung, mit gewaltig Biss unter der Leitung von Mark Elder und mit dem auf Originalinstrumenten spielenden Orchestra of the Age of Enlightenment, samt CD-Produktion. Nicole Cabell war dabei die Sopran-Imelda und Massimo Giordano, zuletzt mehrfach als Villazon-Ersatz international gefragt, als Lamberto einer von den drei (!) Tenören der Oper.

Das Resultat: eine höchst gelungenen Ehrenrettung, wie sie an sich selbst die entlegeneren Donizetti-Opern längst nicht mehr nötig haben sollten.

Hör-Tipp
Apropos Oper, Donnerstag, 7. Mai 2009, 15:06 Uhr

CD-Tipps
Elina Garanca, "Bel Canto", Coro del Teatro Comunale di Bologna, Filarmonica del Teatro Comunale di Bologna, Roberto Abbado, DG 4777460

Juan Diego Florez, "Bel Canto Spectacular", Orquestra de la Comunitat Valenciana, Daniel Oren, Decca 4780315

Vincenzo Bellini, "I Capuleti e i Montecchi", Anna Netrebko, Elina Garanca, Joseph Calleja u.a., Wiener Singakademie, Wiener Symphoniker, Fabio Luisi, DG 4778031

Gaetano Donizetti, "Imelda de' Lambertazzi", Nicole Cabell, Massimo Giordano, Frank Lopardo u.a., Orchestra of the Age of Enlightenment, Mark Elder, Opera rara ORC 36

Links
Elina Garanca
Anna Netrebko
Juan Diego Florez