Debüt in Ägypten

Der Dirigent Daniel Barenboim

Vor seinem spektakulären, völkerverbindenden Ägypten-Debüt begrüßte Multitalent Daniel Barenboim erstmals Gäste aus Mailand zu den von ihm initiierten Berliner Festspielen in der Philharmonie. Barenboim ist auch kulturpolitisch tätig.

Dirigent Daniel Barenboim? Dirigent ist natürlich eine Einschränkung, denn der israelische Musiker steht nicht nur am Pult. Ist nicht nur Pianist. Auch nicht nur de-facto-Chef eines Opernhauses in Berlin, Veranstalter der Osterfesttage an der Spree, lebenslanger Chefdirigent der Staatskapelle Berlin und seit der Spielzeit 2007/08 als "Maestro Scaligero" ein führender Künstler der Mailänder Scala. Er ist auch an vorderster kulturpolitischer Front tätig.

Wie einst Toscanini

In künstlerischer Hinsicht versteht er sich als Erbe Furtwänglers, aber seine kulturpolitischen Aktivitäten atmen den Geist Toscaninis.

Daniel Barenboims interpretatorischer Zugriff scheut nicht das heute so verschmähte Pathos - vor allem bei Beethoven und Wagner -, doch tritt immer öfter der Friedensapostel Barenboim ins Licht der Öffentlichkeit als Kämpfer für Völkerverständigung, wie einst Toscanini gegen den Faschismus, insbesondere gegen die Kulturpolitik Hitlers und gegen den Antisemitismus gekämpft hat.

Friedensapostel

Der Bezug auf Toscanini ist kürzlich noch markanter geworden als bisher. Hat der "Maestro assoluto", der Pultstar mit den höchsten Dirigentengagen der Zwischenkriegszeit in den Jahren 1936 und 37 schon die Gründungskonzerte des "Palestine Orchestra" in Jerusalem, Haifa und Tel Aviv dirigiert, so folgte dem sogar noch ein Ägypten-Gastspiel, in dem Toscanini mit einem ausschließlich aus jüdischen Musikern bestehenden Orchester sogar in Kairo auftrat. Allerdings hieß das Land, aus dem sie kamen, damals nicht Israel, sondern Palästina.

Erstmals in Kairo

Hat Daniel Barenboim schon vor geraumer Zeit das West-Eastern Divan Orchester gegründet und damit in vielen Städten - kürzlich auch in Wien - gastiert, so hat er Toscaninis Aktivitäten in den 1930er-Jahren am 16. April 2009 übertroffen.

Er hat als Dirigent mit israelischem Pass (allerdings auch mit palästinensischem, spanischem und argentinischem) mit einem großen, aus ägyptischen Musikern bestehendem Orchester Beethovens "Fünfte" aufgeführt, ein in Ägypten heftig diskutiertes Ereignis, das er davor durch einen Soloauftritt am Klavier mit Beethovens "Pathetique" eingeleitet hat.

Osterfesttage

In der ersten Monatshälfte hatte er gerade seine seit 1996 veranstalteten "Osterfesttage" erfolgreich absolviert. Ebenfalls teils am Dirigentenpult, teils am Klavier. Das Besondere dieses Osterfestivals - wohl in der Tradition Karajans - ist, dass sie stets aus einer Lindenopern-Premiere mit einer Wagner-Oper bestehen (diesmal: "Lohengrin") und darüber hinaus aus Konzerten in der Berliner Philharmonie - normalerweise ebenfalls mit der Staatskapelle Berlin unter Barenboims Leitung.

Diesmal: "Ein deutsches Requiem" von Brahms und Mahlers 9. Symphonie. Die aktuellen Vereinbarungen zwischen dem Berliner GMD und der Mailänder Scala haben aber dieses Osterfest noch mit einem Gastspiele von Chor und Orchester des Mailänder Opernhauses garniert. Höhepunkt: Verdis "Messa da Requiem" am Karfreitag. Da als Solisten nicht nur die Verdi-, Brahms- und Wagner-Besetzungen, sondern auch Lang Lang und Quasthoff (mit der von Barenboim am Klavier begleiteten "Winterreise") im Programm aufschienen, ist es kein Wunder, dass das Ganze in der heimischen Presse mit dem Etikett "Barenboim and friends" versehen wurde.

Opernkrise?

Apropos Berlin: Vor allem die FAZ - wittert schon wieder das Aufleben der bereits traditionellen kulturpolitischen Querelen. So meint Eleonore Büning: "Über Ostern wieder massenhaft Musiktouristen in Berlin. Alle glücklich. Alle drei Opernhäuser (fast) ausverkauft. Aber kaum ist Ostern vorbei, hebt schon wieder die Berliner Opernkrise ihr graumeliertes Medusenhaupt. Frischer Dampf in der Famaküche, die aus undichten Stellen in der Senatskanzlei des Regierenden Bürgermeisterkultursenators Klaus Wowereit gespeist wird."

Doch Barenboims sei's gedankt: Seit einem Tief im Jahr 2000, als in der Lindenoper Flugzettel mit der Aufschrift die "Oper brennt" verteilt wurden und fast jeden Abend einer der Sänger vor den Vorhang trat, um in einer kurzen Ansprache das Publikum seiner Verbundenheit mit dem traditionsreichen Haus zu versichern, ist die Lindenoper - zum Unterschied von der "Deutschen Oper" - völlig außer Diskussion.

Ganz im Gegenteil. 2010 werden die vorläufig letzten Osterfesttage in dem historischen Bau von Knobelsdorff abgehalten. Dann wird aufwendig und langfristig generalsaniert. Und der Zuschauerraum erhält endlich das einstige, lang vermisste Wagner-gerechte Volumen zurück.

Hör-Tipp
Musikgalerie, Montag, 27. April 2009, 10:05 Uhr

Links
Daniel Barenboim
West-Eastern Divan