Doku "Fronteira Brasil" am 24. Juli in 3sat

Thomas Marschall, Kamera

Das Visuelle interessierte ihn von Kindheit an: Thomas Marschall, Jahrgang 1974, der seit 2002 Kamera an der Filmakademie studiert. Am 24. Juli sendet 3sat die Doku "Fronteira Brasil" des vielseitigen Filmers, der auch studierter Kulturanthropologe ist.

"Ich war schon als Kind sehr am Visuellen interessiert. Mit Anfang 20 habe ich mich mehr mit bildender Kunst beschäftigt. Aber ich habe schnell realisiert, dass es mir um die Bilder geht, dass ich aber nicht mit Malerei oder dreidimensionalen Kunstwerken sprechen will, sondern mit fotografischen.

Zum Film bin ich gekommen, da ich mit einigen Künstlern gearbeitet und mit ihnen Performances aufgenommen habe. Es ergab sich, dass ich Martin Reinhart und Virgil Widrich bei 'TX-Transform' geholfen habe. Reinhart, der damals mein Lehrer war, nahm mich zu einem Dreh mit und ich habe dann als Beleuchter gearbeitet.

Die Filmarbeit hat mich fasziniert - und es wurde mir klar: ich will meine Geschichten mit dem Medium Film erzählen", berichtet Thomas Marschall, gebürtiger Wiener, Jahrgang 1974, über seine Anfänge.

Seit 2002 studiert er an der Wiener Filmakademie bei Christian Berger, Walter Wippersberg und Michael Haneke.

Nach seiner Grundausbildung, die Fächerübergreifend ist, entschied er sich 2003 für den Bereich Kamera. Seinen Bachelor hat er 2007 gemacht, abschließen wird er 2011.

Auch Kulturanthropologe

Davor begann Marschall an der Universität Wien mit dem Studium der Kulturanthropologie, das er nun im Herbst 2009 mit dem Magister abschließen wird. Welche Verbindung sieht er zwischen diesen beiden Bereichen?

"Für mich waren schon immer diese beiden Aspekte von Bedeutung: der rein visuelle, und das Verstehen-Wollen, das Interesse für soziale und kulturelle Phänomene. Das hat auch etwas mit dem frühen Tod meines Vaters zu tun.

Wie erklärt man sich die Welt? Das hat bei mir damit begonnen, dass ich schon früh zu reisen begann. Dadurch wurden die Fragen aber nicht weniger, sondern mehr. Und diese Richtung deckt ein weites Feld ab. Aber ich habe dann gemerkt, dass ich kein Wissenschaftler sein will", so Marschall.

Schnittstelle zwischen Kunst, Film und Wissenschaft

"Mein Projekte sind an der Schnittstelle zwischen Kunst, Film und Wissenschaft verankert", charakterisiert Marschall seine Arbeiten.

Dok-Film als Weg zum Spielfilm

"Meiner Ansicht nach ist der Dok-Film die große Schule für den Spielfilm. Wenn man Bilder in kurzer Zeit, mit gar keinem oder nur wenig Licht produzieren, und sehr viel improvisieren muss, dann schafft man es auch unter Bedingungen, wo man einen riesigen Apparat zur Verfügung hat.

Der Spielfilm ist für mich auf jeden Fall eine Option. Davor möchte ich aber noch ein, zwei Dokumentarfilme machen", so der junge Filmer über seine Vorstellungen.

Projekt bestimmt, ob Kamera oder Regie

"Ich führe sehr gerne die Kamera, sie ist schon mein Schwerpunkt. Deshalb habe ich mich ja für die Kamera entschieden, um das visuelle Handwerk zu beherrschen. Aber ich mache auch Regie - das hängt vom jeweiligen Projekt ab.

Aber ich bin bei den Kamera-Projekten, die ich mache, jedenfalls kein verhinderter Regisseur", stellt Marschall schmunzelnd fest.

"Fronteira Brasil" am 24. Juli in 3sat

Seit 2002 konnte der vielseitige Filmer Berufs-Praxis als ... sammeln. Zu einer seiner letzten und wichtigsten Arbeiten zählt der Dokumentarfilm "Fronteira Brasil", bei dem er Regie und Kamera gemacht hat und der am 24. Juli 2009 in 3sat ausgestrahlt wird.

"Diese Doku behandelt das Thema des Landkonfliktes im brasilianischen Bundesstaat Mato Grosso. Wir haben die radikal unterschiedlichen Positionen von Großgrundbesitzern, Indigenen, Kleinbauern und Landbesetzern gegenübergestellt. Und es wird schnell klar, dass an der Frage der Nutzung des Landes nicht nur ökonomische und politische Konzepte, sondern auch religiöse, ethische sowie ökologische verhandelt werden", erläutert Thomas Marschall.

Experimentalfilm "Out of Bounds"

Eine weitere wichtige Arbeit Marschalls ist der Experimentalfilm "Out of Bounds", der im Vorjahr entstanden ist und bei verschiedenen nationalen wie internationalen Festivals wie u. a. in Sevilla, Cordoba und in Seoul gezeigt wurde:

"In diesem Experimentalfilm ging es darum, wie der observierende und insistierende Blick einer Kamera, die auch den Raum definiert, dem Tanz folgt. Und es geht auch darum, dass der Kamerablick diesen Tanz einfangen will. Die Tänzerin versucht, dem Blick zu entfliehen. Es ist ein Tanz wischen der Kamera und der Tänzerin. Der eine, der Blick der Kamera, ist obsessiv, und der andere, die Performance der Tänzerin, ist konstruktiv.

Es war die Diplomarbeit Stephan Richters an der Angewandten, mit dem ich öfters zusammenarbeite", schildert Thomas Marschall.

Vom Manager im "ZOOM"-Kindermuseum ...

Zu den vielfältigen Beschäftigungen, die der vielseitige Cineast ausübt, zählen auch seine Tätigkeiten im Wiener Kindermuseum "Zoom":

"Bevor ich an der Filmakademie begann, habe ich im 'ZOOM' mit Kindern gearbeitet. Und nach dem Grundstudium habe ich hier weiter gemacht. Es ist dies ein wunderbarer Ort, unterstützend für Künstler und für Kinder. Später habe ich mich hier mit der Organisationsstruktur beschäftigt", erzählt Marschall begeistert.

... zum Kurator von "Es liegt - es fliegt"

Und heuer kuratiert Thomas Marschall gemeinsam mit Elisabeth Menasse die Schau "Es fliegt – es fliegt", die am 29. September 2009 im "ZOOM" eröffnet wird.

"Die Ausstellung beschäftigt sich mit dem Fliegen. In diesem Zusammenhang habe ich mich gefragt, wie man den Flug eines Vogels visualisieren kann. Anhand eines Zootrops, eines vor-cineastischen Geräts, simuliere ich einen Vogelflug. Da kann ich meine cineastische Leidenschaft und meine kulturanthropologischen Kenntnisse zur Geschichte des Films verbinden", freut sich Marschall.

Dok-Filmer mit Perspektiven

"Filmemachen in Österreich ist nicht einfach, es ist nur ein kleines Segment. Ich mache meine Dokumentarfilme und warte nicht darauf, dass jemand etwas von mir will. Wenn sich daraus andere Projekte ergeben - ob Kamera oder Regie - ist das schön. Und meist ergibt sich ein Projekt aus dem anderen", so Marschall, dem Zukunftsängste eher fremd sind.

Die richtigen Fragen zum Erfolg

Derzeit ist er mit der Fertigstellung von "Face of the Frontier" sowie mit dessen künftiger Vermarktung beschäftigt. Außerdem arbeitet er unter anderem an einem Konzept für den Dok-Film "Heimat" (Arbeitstitel), der sich mit der Rolle des Heimatbegriffs in der volkstümlichen Musik Österreichs auseinandersetzt.

Welche Zukunftswünsche hat der vielseitige Cineast? "Eigentlich bin ich zufrieden, denn ich mache, was ich mir vorstelle. Ich möchte nur noch die richtigen Fragen stellen und sie mir richtig beantworten, um jenen Erfolg zu haben, den ich mir wünsche", so Thomas Marschall.

Die Ö1 Talentebörse ist ein Kunstförderprojekt mit Unterstützung der Bank Austria

Mehr zu Kamera- und Regie-Arbeiten sowie diversen Projekten von Thomas Marschall in oe1.ORF.at

Kontakt
Thomas Marschall

Tipp
Die Porträts der Ö1 Talentebörse können seit 1. September 2008 im Rahmen der Ö1 Podcast nachgehört werden. Alle Sendungen des kostenfreien Radio-Abos finden Sie hier.

TV-Tipp
"Fronteira Brasil", Dokumentation von Thomas Marschall und Nikolaus Braunshör, Freitag, 24. Juli 2009, 20:15 Uhr

Links
Wiener Filmakademie
Universität Wien
IMDb - Thomas Marschall
Diagonale
3sat
Fronteira Brasil
Kurt Mayer Film
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Stephan Richter
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