Fußnoten der Musikgeschichte
Wer schrieb Beethovens Zehnte?
Harald Asel hat ein Musiklexikon geschrieben, das kleine und große Geheimnisse der Musikwelt lüftet. In unterhaltsamer Weise erzählt er, welche die erfolgreichste Oper aller Zeiten ist oder was man genau unter einer Würfelkomposition versteht.
8. April 2017, 21:58
Haben Sie gewusst, dass Alban Berg Gustav Mahler so sehr verehrte, dass er ihm seinen Takstock stahl? Oder, dass Richard Wagner einmal als Brandstifter gesucht wurde?
In Harald Asels Buch "Wer schrieb Beethovens Zehnte" können sie die Details nachlesen. Der 1962 geborene Musikwissenschaftler, Germanist und Radiojournalist Harald Asel erzählt im lockeren Plauderton Wissenswertes oder auch Kurioses aus der Welt der Musik. Sein 290 Seiten starkes Buch reicht thematisch von A wie "Absolutes Gehör" bis Z wie "Zahlensalat bei Schubert."
Geschichte eines Logos
Das Cover des Buches ziert ein Bild, das wohl jeder kennt, der einmal Schallplatten in der Hand hatte: Zu sehen ist ein kleiner, weißer Mischlingshund, der vor einem Grammophon sitzt und scheinbar den Tönen lauscht. Im Buch wird die Geschichte des wohl berühmtesten Hund der Musikgeschichte geschildert.
Das Tier, ein nicht ganz reinrassiger Foxterrier, wurde durch das Gemälde mit dem Titel "His masters voice" zum ersten durchschlagend erfolgreichen Logo der Schallplattenindustrie. Der streunende Hund soll 1884 von einem Engländer namens Mark Barraud in Bristol auf der Straße gefunden worden sein.
Foxterrier wird Plattenstar
Nipper war anscheinend gar nicht so wohlerzogen, wie das Logo suggeriert. Schließlich erhielt er seinen Namen (Kneifer), weil er Besucher im Hause Barraud gerne in die Waden biss. Mark Barraud hatte den streunenden Foxterrier bei sich aufgenommen. Als er drei Jahre später starb, nahm sein jüngerer Bruder Francis den Hund mit nach Liverpool. Die Legende erzählt, wie der trauernde Hund gebannt vor dem Grammophon saß und den Tönen lauschte. Schon mit dem toten Mark Barraud hatte Nipper angeblich immer Musik gehört. Vielleicht ist dies alles nur ein späterer Vermarktungstrick des Malers gewesen. Er malte das weiße Tier mit den schwarzen Ohren jedenfalls in seiner üblichen Sitzhaltung und stellte ihm einen schwarzen Phonographen in gleicher Größe gegenüber. Noch erkannte niemand die durchschlagende Marketingwirkung des naiven Gemäldes.
Francis Barraud ging mit seinem Bild hausieren - doch weder Kunstinstitute noch Zeitungsredaktionen wollten es haben. Erst als die Gramophone Company das Gemälde kaufte, wurde der ehemals streunende Foxterrier zum Plattenstar.
Geschichte des Taktstocks
Die Geschichte über das Leben des kleinen Foxterriers zeigt es: Autor Harald Asel spürt den Fußnoten der Musikgeschichte nach, die in herkömmlichen Musiklexika keinen Platz finden. Und er wartet mit Tatsachen auf, die für manchen Musikliebhaber etwas Neues bringen. Der Leser wird auf eine unterhaltsame Reise kreuz und quer durch die Jahrhunderte mitgenommen.
So erfährt man zum Beispiel in dem Kapitel über die Geschichte des Taktstocks, das schon in der Antike der Takt vorgegeben wurde:
Der Takt wurde immer schon geschlagen, und keineswegs nur in der Luft. In der griechischen Tragödie hielt der sich bewegende Chor den Takt, weil der Chorführer unter seinen hohen Schuhen Klatschsohlen hatte. Auch der Stepptanz kommt also nicht aus dem kulturgeschichtlichen Nirgendwo.
Primadonnengezeter
Neben musikwissenschaftlichen Themen und kulturgeschichtlich Interessantem scheut sich der Autor allerdings auch nicht Themen aufzugreifen, die eher für Klatschspalten geeignet sind. Unter P wie Primadonnengezeter etwa wird ein Streit zweier hoch bezahlter Sängerinnen im London des 18. Jahrhunderts geschildert.
Auch mit merkwürdigen Superlativen geizt der Journalist nicht: Er hat recherchiert, welche Orgel auf der Welt die meisten Pfeifenreihen besitzt und welche Oper die Hitparade in der Aufführungsstatistik an deutschen Bühnen anführt. (Es ist übrigens - wie vielleicht zu erwarten - Mozarts "Zauberflöte".)
Mangelhafte Struktur
Damit wären wir auch bei der Kritik an dem Buch angelangt. Erstens: Es ist schade, dass kein einziges Bild die Artikel illustriert. Zweitens: Die Struktur des Lexikons ist mangelhaft.
Die Auswahl der Stichwörter erscheint dem Leser willkürlich und ist zum Teil nicht nachvollziehbar. Wer zum Beispiel etwas über Venedig und seine Anziehungskraft für Komponisten erfahren will, findet den Artikel nicht unter V wie Venedig, sondern unter "L", wie "Lagune, morbide". Das macht das Nachschlagen und Wiederfinden von Details schwierig. Immerhin findet sich am Ende des Buches ein Namensregister, das die Suche nach Personen ermöglicht.
Wer sich allerdings auf diese zum Teil recht erfinderische Schlagwortgestaltung einlässt, findet an dem Buch Vergnügen.
Hör-Tipp
Apropos Musik, jeden 1. Sonntag im Monat, 15:06 Uhr
Buch-Tipp
Harald Asel, "Wer schrieb Beethovens Zehnte ? - Alles, was Sie über Musik nicht wissen", Eichborn-Verlag