Schönheit eines verkannten Zyklus'

Till Fellners neue Bach-CD

Till Fellner hat verschiedene Werke Johann Sebastian Bachs in Konzerten gespielt und bereits den ersten Band des "Wohltemperierten Klaviers" aufgenommen. Bachs "Inventionen" gelten vielen als bloße Kinderstücke - zu Unrecht.

Till Fellner über die Frage der Verzierungen

Vor fünf Jahren erschien Till Fellners Einspielung des ersten Bandes des "Wohltemperierten Klaviers" von Johann Sebastian Bach. Seither hat Fellner verschiedene Werke Bachs - Inventionen, Sinfonien, Suiten, den gesamten zweiten Teil des Wohltemperierten Klaviers - in vielen Konzerten gespielt.

Und nun schien es wohl an der Zeit für eine zweite Bach-CD. Die liegt nun vor und enthält alle zwei- und dreistimmigen Inventionen und die Französische Suite in G-Dur BWV 816.

Brillante Konzertstücke

Bachs zweistimmige Invention in F-Dur haben viele Klavierschülerinnen und -schüler gelernt oder haben es lernen müssen. Sie haben es wohl als Etüde betrachtet, vielleicht sogar als besonders mühsame, weil beide Hände in gleicher Weise gefordert sind. Dass Bachs zweistimmige Invention in F-Dur ein brillantes Konzertstück sein könnte, daran haben wohl nur wenige gedacht.

Wie war das bei Till Fellner? Hat er als Kind diese Invention als Übung absolviert? "Ich glaube jeder Klavierstudent hat eine gewisse Anzahl dieser Stücke gespielt. Natürlich haben mir die Stücke schon damals sehr gut gefallen. Aber die ganze Schönheit dieses Zyklus', auch wenn man ihn dann als Gesamtserie spielt, war mir damals noch nicht klar", so Fellner.

Die Vorteile des modernen Flügels

Für einen Pianisten ist es nicht leicht, mit solchen Stücken richtig umzugehen. Das heutige Klavier unterscheidet sich von den Tasteninstrumenten der Barock-Zeit (Cembalo, Clavichord, Orgel) ganz beträchtlich. Hat Till Fellner die historischen Instrumente genau erprobt oder ist es für ihn besser, die jeweilige musikalische Idee dieser Stücke direkt auf dem modernen Konzertflügel umzusetzen?

"Man muss sich schon Gedanken machen über den jeweiligen Klangcharakter eines Stückes. Und das ist bei den 'Inventionen' sehr verschieden. Bach hat ja nicht für ein bestimmtes Tasteninstrument geschrieben", so Fellner. Einer der großen Vorteile des modernen Flügels sei seine große Wandlungsfähigkeit: "Man kann sich an den Klang bestimmter Instrumente annähern."

Kantables Spiel

Es gäbe, so Fellner, bei den "Inventionen" Stücke, die cembaloartig klingen sollten: "Es geht sogar über die Tasteninstrumente hinaus. Es gibt kammermusikalische Inventionen, etwa die dreistimmige Es-Dur-Invention, die eigentlich wie eine Trio-Sonate geschrieben ist, also mit zwei Melodiestimmen und einer Begleitstimme. Es gibt aber auch Stücke, die orchestralen Charakter haben. Und nicht zu vergessen das Gesangliche. Bach hat im Vorwort ausdrücklich verlangt, dass der Spieler eine gesangliche Art im Spielen erlangen soll."

Mehr zu Till Fellner in oe1.ORF.at

Hör-Tipp
Intrada, Freitag, 19. Juni 2009, 10:05 Uhr

CD-Tipp
J.S. Bach, Inventionen und Sinfonien, Till Fellner, Ecm Record (Universal)

Link
Till Fellner