Ein himmlisches Programm

Irmgard Knef, die Letzte

Noch ein Mal lässt Ulrich Michael Heissig die lange im Verborgenen lebende Zwillingsschwester von Hildegard Knef auftreten. Zum Abschluss seiner Tetralogie "Der Ring des nie Gelungenen" erfreut Irmgard das Publikum engelsgleich mit ihren Einsichten.

Irmgard Knef über ihr überraschendes irdisches Ende

Irmgard Knef ist tot, es lebe Irmgard Knef! - und zwar als "Engel wider Willen". Statt brav die Harfe zu zupfen, jazzt und swingt sie auch im Himmel lieber Songs von Cole Porter, Burt Baccharach und Kurt Weill. "Himmlisch, oder: Ewigkeit kennt kein Pardon" heißt das aktuelle Programm von Ulrich Michael Heissig, der vor über zehn Jahren die fiktive Zwillingsschwester von Hildegard Knef erschaffen hatte. In der Rolle der humanistischen Skeptikerin mit Berliner Herz und Schnauze unternimmt er, eben als Irmgard Knef, eine Reise durch die Ewigkeit und macht Station in den unterschiedlichsten Jenseitsbezirken: unter anderem im islamischen Paradies, im katholischen Himmel und im Nirwana.

"Als Irmgard Knef vor zehn Jahren die 'Bretter, die die Welt bedeuten' betrat, da hat sie sich ja vorgestellt als die zu kurz gekommene und ins Hintertreffen geratene Zwillingschwester der großen Hildegard und hat sich damit auch wichtig gemacht", sagt Ulrich Michael Heissig, "sie hat bekannte Lieder von Hildegard umgetextet und mit den Originaltexten korrespondiert - als ewige Zweite, als Pechvogel, der aber ohne Zorn zurückblickt", sagt Heissig, der ankündigt, dass es sich beim aktuellen Programm um den letzten Teil dieser Kabarettreihe mit der Kunstfigur Irmgard Knef handeln würde.

Ganz in Weiß

Und in diesem vierten Programm ist Irmgard Knef im Himmel. Ganz in Weiß, von den Schuhen bis zur Baskenmütze, Flügel inbegriffen, trägt sie ein engelsgleiches Bühnenoutfit. Dabei hat sich die 83-Jährige ihre Zukunft etwas anders vorgestellt. Aber das Schicksal hat ihr einen Strich durch die irdische Rechnung gemacht und sie abberufen in die ewigen Jagdgründe.

Sie stirbt bei einer Vorpremiere in der Provinz. Sie stirbt unerwartet, im völligen Überschwang ihrer Bühnengefühle. "Sie stirbt bei dem Versuch, Stage-Diving zu machen, und übersieht, dass in den ersten vier Reihen niemand sitzt. Und es haut sie im wahrsten Sinne des Wortes auf die Schnauze ein paar Wochen vor ihrer eigentlichen Premiere", erzählt der Kleinkünstler Heissig über das Schicksal seiner Bühnenfigur.

Aber eine Knef lässt sich nicht unterkriegen und macht deswegen im Himmel nichts anderes als das, was sie schon davor auf Erden getan hatte: Sie schneidert sich ihr "Dasein" zurecht und legt ihr himmlisches Schicksal als eine weitere Rolle an. Für Ulrich Michael Heissig ist sein viertes Soloprogramm das große Finale der Knef'schen Tetralogie, die den Titel "Der Ring des nie Gelungenen" trägt.

Sorella non grata

Ein kurzer Rückblick: Irmgard Knef lebte nie jenes Leben, das sie sich schon als Kind gemeinsam mit der Schwester erträumt hatte. Schon beim ersten Casting bekam nur Hilde eine Rolle beim Film, denn Ellen und Alice Kessler hatten damals das Genre der cineastischen Zwillingsschwestern schon für sich erobert. Später, als Hildegard Knef ein Filmangebot nach dem anderen erhielt, hörte man Irmgards Stimme nur beim Telefonbanddienst der Deutschen Bundespost.

Als aus der Schauspielerin Hildegard dann auch noch eine erfolgreiche Sängerin geworden war, die - ein Originalzitat ihres verleugneten Zwillings - "ausschließlich in vollen Häusern gesungen hatte", lag Irmgard nur voll vor den Häusern. Ihr, der sorella non grata, war nur eine bescheidene Alterskarriere beschieden, in der sie ihr Schicksal als verleugnete Schwester thematisierten konnte. Dass sich daraus vier Programme entwickelten, dafür ist sie dem Schicksal - ganz passend - "ewig dankbar".

Der Himmel als unendlicher Vergnügungspark

In der Ewigkeit durchwandert Irmgard Knef während diesem Bühnenabend das islamische Paradies, das in Form einer Wüstenzeltstadt existiert, besucht das jüdische Spiegelkabinett und die Vodoo-Geisterbahn, kommt vorbei am buddhistischen Wiedergeburtskarussell und dem hinduistischen Schicksalsriesenrad, und gelangt schließlich in das christliche Paradies. Dieses ist im Knef'schen Himmelsuniversum ähnlich gegliedert wie Hotelstrände auf Gran Canaria. Statt nach Ländern ist dieser Himmelsabschnitt in einen orthodoxen, einen protestantischen und in einen katholischen Sektor unterteilt.

"Dieses Programm", meint Heissig, "ist nicht explizit atheistisch, es ist explizit skeptizistisch, aufklärerisch im Sinne, dass man durchaus ein toller Mensch sein kann, der Werte hat, der versucht, gut zu sein ohne die Krücke der Religion. Man muss nicht an einen Gott glauben, um ein guter Mensch zu sein. Das ist eine wesentliche Botschaft, die dieses Programm hat. Und das versuche ich mit der Person Irmgard Knef zu transportieren. Und das ist, glaube ich, legitim, denn ich glaube, Hildegard Knef hat das auch so gesehen, zumindest, wenn man sich ihre Aussagen dazu anschaut.“

Service

CD, Irmgard Knef, "Mein Wien", erhältlich im Ö1 Shop

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