Betriebssysteme verändern die Welt
Die Weltrevolution und andere Kleinigkeiten
Gibt man den Begriff "Chrome OS" ins Suchfeld der Internet-Suchmaschine Google ein, erhält man recht genau 24,3 Millionen Treffer. Eine sehr erstaunliche Anzahl, bedenkt man, dass Chrome OS vor einer Woche noch gar nicht existierte.
8. April 2017, 21:58
Einstweilen besteht die "Existenz" von "Chrome OS" nur in einer kurzen, eher lapidaren Ankündigung eines Managers der Firma Google. Der Manager selbst gehört noch nicht einmal zur engeren Führungsspitze des Internet-Konzerns. Und die Webseite, auf der er seine Ankündigung machte, ist keine offizielle seines Unternehmens, sondern bloß ein etwas besseres Diskussionsforum, ein so genannter Blog.
Angesichts dieser Umstände ist die Tatsache, dass man eine Woche nach dieser Ankündigung mit dem Stichwort "Chrome OS" bei der Suchmaschine Google 24,3 Millionen Treffer erzielt, als phantastisch zu bezeichnen. Mit anderen Worten: Die kurze, eher unverbindliche, wenig präzise Absichtserklärung rauscht durchs World Wide Web, und auch durch die sonstigen Medien, beinahe so, als würde gerade die Weltrevolution starten.
Nichts geht mehr ohne Computer
Wie so etwas möglich ist? Die beiden Buchstaben OS stehen für Operating System. Chrome OS wird, sollte es, wie angekündigt, im Herbst 2010 tatsächlich erscheinen, ein Computer-Betriebssystem sein. Und Computer-Betriebssysteme sind in der Tat zur wichtigsten Technologie der Menschheit des 21. Jahrhunderts geworden. Zum Boden, auf dem alles Weitere steht.
Geschätzt etwa 1,2 bis 1,5 Milliarden Computer sind weltweit in Betrieb, und wir sind in den letzten 30 Jahren vollkommen von ihnen abhängig geworden. Sie steuern alles, was wir tagtäglich zum Leben benötigen und benutzen. Ohne Computer funktioniert mittlerweile kein Elektrizitätsnetz mehr, kein Telefonnetz und auch kein Gasnetz.
Computer steuern die Belieferung von Lebensmittelläden und Supermärkten. Sie halten Spitäler am Laufen und in den Spitälern die Maschinen zur Versorgung der Patienten und Patientinnen. Ohne Computer funktioniert keine Bank, keine Kreditkarte, kein Geldtransfer. Auch kein Finanzamt. Selbst das Kulturradio Österreich 1 könnte ohne Computer auf der Stelle keinen Ton mehr senden, wie alle anderen Radiostationen der Welt. Es gäbe auch keine Zeitung mehr und kein Fernsehen. Vielleicht mit Ausnahme der Klospülung gibt es in der modernen Zivilisation nichts mehr, was ohne Computer funktionieren würde.
Und alle diese Computer benötigen ein Betriebssystem. Darin liegt die ungeheure Bedeutung dieser Art von Computerprogramm, von Software: Wer heute in einem Industriestaat lebt, benutzt jeden Tag und in jeder Stunde ein OS, ein Operating System, ohne das er schlicht nicht weiter leben könnte.
Branchenriesen
Diese ungeheure Bedeutung macht sich auch in den wirtschaftlichen Kennzahlen der Hersteller des Produkts Betriebssystem bemerkbar, von dem wir gar nicht so viel bemerken, solange es funktioniert: Microsoft ist der größte davon, sein "Windows" läuft auf cirka einer Milliarde Computern weltweit.
Es gibt daneben noch andere Betriebssysteme, Linux beispielsweise, oder Mac OS X von der Firma Apple, um zwei zu nennen. Und noch viele, viele weitere. Doch Microsoft ist der größte Software-Konzern der Welt, der größte Produzent von Betriebssystemen der Welt. Und dank der unabdingbaren Notwendigkeit der OSen, wie sie unter Fachleuten gern kurz heißen, der bei weitem profitabelste Konzern der Welt. Über alle Branchen hinweg.
Datenverkehr zwischen Arbeitsspeicher und Prozessor
Der Grund besteht darin, dass ein Computer ohne OS schlicht und einfach nichts tut. Die reine Hardware, im Kern der Prozessor und sein Arbeitsspeicher, sind ohne Betriebssystem funktionslos. Das unterscheidet den Computer von jeder anderen Maschine, die die Menschheit jemals erfand: Ohne die zugehörige Software, ohne das Betriebssystem, ist sie für gar nichts zu gebrauchen; ist ein Computer buchstäblich Schrott.
Alle Computerei besteht im Fluss der Bits und Bytes zwischen Arbeitsspeicher, dem oft gesehenen RAM in den Computer-Prospekten, und dem Prozessor: Die digitalen Informationseinheiten werden aus dem Speicher ausgelesen, im Prozessor miteinander verrechnet, und das Ergebnis wieder im RAM gespeichert; von dort wieder ausgelesen, wieder verrechnet, wieder gespeichert. Nach meist sehr vielen solcher Schritte hat der Computer dann irgend etwas berechnet und präsentiert das Ergebnis etwa auf einem Bildschirm.
Ohne Betriebssystem funktioniert der Computer nicht
Die Steuerung dieses Flusses der Bits und Bytes aber besorgt das Betriebssystem; genau gesagt, der innerste Kern des OS (das üblicherweise noch aus einigen weiteren Modulen besteht), das so genannte IO-System, was für Input-Output steht. Deshalb kann ein Computer ohne Betriebssystem nicht funktionieren. Das OS macht ihn erst zu jener Maschine, die wir "Computer" nennen.
Nur deshalb konnte die eingangs erwähnte Ankündigung so viel Staub aufwirbeln: Wenn ein hinreichend großer Konzern wie Google ankündigt, ein neues Betriebssystem produzieren zu wollen, dann ist das überhaupt nicht zu vergleichen mit der Ankündigung einer anderen Firma, beispielsweise eines Autokonzerns, ein neues Modell auf den Markt zu bringen. Das kann, das neue OS muss sich erst noch durchsetzen, in der Tat alles verändern. So sind die denn auch die 24,3 Millionen Meldungen binnen einer Woche zu erklären.
Hör-Tipp
Radiokolleg, Montag, 13. Juli bis Donnerstag, 16. Juli 2009, 9:30 Uhr
Link
Googleblog - Ankündigung von Chrome OS