Über die Wirkungsweise von Psychotherapie
Wie Worte und Beziehungen heilen
Dass Psychotherapie wirkt, steht fest. Wie sie wirkt, darüber ist wenig bekannt. Jetzt versucht die Neurowissenschaft die komplexen Vorgänge zu ergründen. Erste Erkenntnis: das Wichtigste für einen Behandlungserfolg ist die therapeutische Beziehung.
8. April 2017, 21:58
Am Anfang war die Tiefenpsychologie, die sich aus der Psychoanalyse entwickelte. Dann kam die Verhaltenstherapie. Die systemische Familientherapie, kreative Therapien, Körpertherapien, das Psychodrama oder die Gesprächstherapie folgten. Heute gibt es über 400 Psychotherapiemethoden. Zwei Dutzend sind in Österreich anerkannt.
Welche Methoden wirken und warum, das wird heftig diskutiert. Erforscht ist aber noch wenig. Psychotherapieforscher wie Günter Schiepek, Leiter des Instituts für Synergetik und Psychotherapieforschung in Salzburg, haben deutliche Hinweise dafür, dass es meist weniger auf die Intervention ankommt, sondern mehr auf die therapeutische Beziehung. Schiepek fordert daher ein Ende der Therapieschulen.
Therapieverläufe zu wenig erforscht
Es gibt einige Daten dazu, was nach einer Therapie herauskommt. Aber was während eines Therapieverlaufs vor sich geht, liegt fast völlig im Dunkel. Es handelt sich um hochkomplexe Vorgänge, bei denen biologische, psychische und soziale Faktoren wechselwirken. Das zu erfassen ist schwierig, aber notwendig für Evidenz basierte Psychotherapien, wie es sie in Zukunft geben soll.
Schiepek setzt in seinen Verlaufsstudien Feedbackbögen ein, und zwar ein internetbasiertes System, in dem Patienten täglich Selbsteinschätzungen abgeben. Dieses Feedback steuert die laufende Behandlung. Mit funktioneller Bildgebung verfolgt Schiepek außerdem was sich im Hirn der Patienten und Patientinnen verändert.
Mit Hirnscans kann man den Patienten und Patientinnen beim Planen, Problemlösen oder bei Panikattacken zuschauen und auch die Veränderungen im Hirn durch eine Psychotherapie sichtbar machen.
Zwangspatienten: "kritischen Instabilitäten"
Eben hat Schiepek eine Studie mit Zwangspatienten abgeschlossen, die eine Verhaltenstherapie bekamen. Die Quintessenz: Es kommt darauf an, in der Behandlung die Phasen zu erkennen, in denen Patienten veränderungsbereit sind. Da liegt die große Chance zum Umlernen.
Das Umlernen klappt aber nur, wenn sich Patienten in den Phasen der "kritischen Instabilität" getragen fühlen. Es zählt die Beziehung. Wann die Phasen auftreten, in denen Menschen veränderungsbereit sind, ist allerdings so wenig vorhersagbar wie das Wetter, zeigt die Studie.
Neurobiologie und Psychotherapie
Die Neurobiologie übt auf viele Psychotherapieforscher eine große Faszination aus. Die bunten Hirn-Bilder nähren die Illusion, dass damit bisher Unerklärliches empirisch erklärt werden könnte.
Ein Irrtum, sagen führende Hirnforscher. Sie raten den Therapeuten daher davon ab, schwer auswertbare neurobiologische Methoden zu übernehmen und empfehlen ihnen, lieber neurowissenschaftliche Erkenntnisse in die Therapie mit einzubeziehen, zum Beispiel neue Erkenntnisse über Erinnerungen: Etwa dass sich Menschen nicht an die ersten zwei Lebensjahre erinnern können und dass sich Erinnerungen bei jedem Abrufen verändern.
Falsche Hoffnung: kurze Therapien
Die Neurowissenschaft weckt bei vielen Menschen die Hoffnung auf kurze Therapien. Gesund werden braucht aber oft viel Zeit. Bei chronisch depressiven Patienten nützen Kurztherapien nichts, hat das amerikanische National Institute of Mental Health gezeigt. Es gibt eine Rückfallquote von über 50 Prozent und 90 Prozent haben bereits den dritten Rückfall.
Verhaltenstherapien erfolgreich bei Phobien
Welcher Patient braucht welche Therapie? Eindeutige Antworten darauf gibt es nicht. Am erfolgreichsten bei schweren Ängsten wie der Spinnenphobie sind aber ganz klar Konfrontationstherapien.
Die Betroffenen müssen sich dabei den Angstauslösern stellen und Spinnen über ihre Hände laufen lassen ohne dabei in Panik zu geraten. Die tief verwurzelte Angst wird dabei aber nicht ausradiert, sondern stark kognitiv kontrolliert. Das zeigen die bildgebenden Verfahren.
Hör-Tipp
Salzburger Nachtstudio, MIttwoch, 15. Juli 2009, 21:01 Uhr