Menschen, Mode und Stadt

The Vienna Fashion Observatory

"Suche jemanden aus, der dir auffällt, fotografiere ihn und beschreibe in einem kleinen Fragenkatalog, wer er ist", lautet die Aufgabenstellung des "Vienna Fashion Observatory" an seine "Fashionblogger". Eine Ausstellung im quartier 21 zeigt die Ergebnisse.

Anne-Marie ist 71 Jahre alt. Sie trägt ein gelbes Seidenkleid von "Flamm" und einen eleganten, blau gefärbten Kurzhaarschnitt. Salvatore Viviano hat die modesinnige Dame (und ihr ebenso modisches Fahrrad) in Wien Margareten fotografiert. Er traf sie beim Shopping bei der Caritas am Mittersteig.

Urbane Kleidungskünstler

Viviano ist einer von 26 Fotografen und Fotografinnen, die derzeit im Auftrag des "Vienna Fashion Observatory" unterwegs sind - eines Internetblogs, der sich den modischen Ausnahmeerscheinungen des Wiener Straßenlebens widmet. Kuratiert wird dieses "Stadt- und Modeobservatorium" von Sabine Dreher und Christian Muhr. Seit drei Wochen gehen in ihrem Büro im Quartier 21 laufend Porträts urbaner Kleidungskünstler und -künstlerinnen ein. Seit letztem Freitag sind sie auch in einer Ausstellung im "Freiraum" zu sehen.

Die avancierte Konsumentin

Zu erfahren ist dort auch einiges über das Phänomen der "Fashionblogger" - jene im World Wide Web anzutreffende Spezies, deren Ambition es ist, aus der Fülle des Modisch-Möglichen eine persönliche Auswahl zu treffen und (mit Vorbildwirkung) publik zu machen. Als "amateurhafte Guerilla-Modekritiker" beschreibt Kurator Christian Muhr die Fashionblogger und -bloggerinnen. "Kraft der Schnelligkeit des Mediums Internet" sei dieser in der Lage, mit seinem Kommentar andere Zielgruppen zu erreichen als die Herausgeber von Modemagazinen - "mitunter mit enormen Resonanzen".

Mode als Begleiterscheinung

Anders als gewöhnliche Modeblogs will das "Vienna Fashion Observatory" aber auch soziale Aspekte dokumentieren, die durch Straßenkleidung mittransportiert werden. Neben professionellen Bloggern und Bloggerinnen sind deshalb auch Künstler und Künstlerinnen in den Wiener Straßen auf "Modenschau". Thomas Eller und Rudolf Steckholzer etwa lichten seit einigen Wochen die Wiener Nachtbusszene ab. Die Architektin Carmen Rüter montiert in ihren Beiträgen Porträts von jungen Leuten mit Bildern ihres Umfelds zusammen. Mode ist für sie "nur eine nette Begleiterscheinung des Stadtlebens".

Was erregt Aufmerksamkeit?

"Suche jemanden aus, der dir auffällt, fotografiere ihn und beschreibe in einem kleinen Fragenkatalog, wer er ist", lautet die sehr einfache Aufgabenstellung des "Vienna Fashion Observatory" an seine Blogger und Bloggerinnen. Kurator Christian Muhr zeigt sich erfreut darüber, dass diese zu so unterschiedlichen Resultaten führt. "Ich bin sehr froh, dass jeder das tut, was er tun möchte - dass die Modeblogger, die Fashionvictims beobachten wollen, das tun, und die Künstler, die sagen, mich interessiert ein anderer Aspekt, das auch tun. Also dass sich nicht die Modeblogger für Künstler halten und die Künstler für Modeblogger. Das fänd ich schön, wenn das weiterhin so bleibt."

Logik des immer Neuen

Bis zum 20. September noch wird das "Vienna Fashion Observatory" seine fotografischen Stadtstreifzüge fortsetzen. Kurator Christian Muhr ist sich sicher, dass er sich seine allmorgendliche Neugierde beim Blick in den Blog auch weiterhin bewahren wird: "Wie lang bleibt das Bild bestehen und wann wird es vom nächsten eingeholt? Das ist immer so ein Überraschungseffekt, der auch künstlich entsteht, dadurch dass die Blogger so eine Art Delay eingebaut haben und auch senden wenn sie schon weg sind. Das heißt, auch Personen, die wir schon längst verabschiedet haben, schicken noch Fotos aus ihrem Fundus, weil sie in dieser Logik des immer Neuen geübt sind."

Hör-Tipp
Leporello, Donnerstag, 23. Juli 2009, 7:52 Uhr

Veranstaltungs-Tipp
Ausstellung "The Vienna Fashion Observatory", bis 20. September 2009, quartier 21, Museumsquartier Wien

Links
The Vienna Fashion Observatory
quartier 21