Ein Außenseiter in Paris

Die Rolle meines Lebens

"Mein voriger Roman war 100-prozentig autobiografisch, dieser ist 100-prozentig nicht autobiografisch", verspricht Nicolas Fargues. Es geht um das Thema Rassismus, aber auch um die Illusion, berühmt zu sein und um die Konsequenzen des Ruhmes.

Nach dem großen Erfolg seines autobiografischen Romans "Nicht so schlimm" wendet sich der französische Autor Nicolas Fargues in seinem neuen Buch mit dem Titel "Die Rolle meines Lebens" diesmal ganz anderen Themen zu: Sein Erzähler Antoine Mac Pola ist Schauspieler und genießt seit seiner letzten Filmrolle einen gewissen Bekanntheitsgrad. Seine Mutter ist Französin, sein Vater stammt von den Concordinen, einer fiktiven karibischen Inselgruppe, und diese Familie in Übersee macht Antoine zu schaffen. Wegen seiner Hautfarbe fühlt er sich als Außenseiter in der Pariser Gesellschaft und macht sich seine Gedanken über Rassismus und Xenophobie.

Kein angenehmer Zeitgenosse

Antoine kaschiert seine Komplexe mit Überheblichkeit, er spielt in der Gesellschaft eine Rolle, gibt sich als Intellektueller, kostet seinen bescheidenen Ruhm aus. Seine spanische Freundin Elvira hat ihn verlassen, für den Leser durchaus nachvollziehbar, denn Antoine ist auch ein Narziss, der sich seine Bedeutung durch möglichst viele Affären beweisen muss. Er ist kurz gesagt kein besonders angenehmer Charakter, weshalb sogar Nicolas Fargues selbst ihm reichlich ambivalent gegenübersteht:

"Ich würde nicht sagen, dass ich ihn mag, aber ich verstehe ihn", sagt Fargues. "Ich könnte kein Freund von ihm sein, wirklich, ich wäre angewidert von seiner pseudo-intellektuellen Attitüde - nein, ich mag ihn nicht wirklich."

Vielleicht deshalb bleibt "Die Rolle meines Lebens" seltsam blass und erweckt mitunter den Eindruck, als habe der Autor selbst nicht ganz genau gewusst, wohin die Reise letztlich gehen soll.

Sich selbst finden

Antoine lässt sich treiben, er schwadroniert auf Banketten und Soireen über Filme und berauscht sich an seinen eigenen Worten, und er lässt sich auf eine Affäre mit einer weitaus berühmteren Schauspielerin ein, die ihn freilich ihrerseits nur benutzt.

Fargues skizziert eine grimmige und kalte Gesellschaft, in der sein Protagonist versucht, zu sich selbst zu finden. "Er ist ein Opfer seiner Hautfarbe, seiner kulturellen Einflüsse und der westlichen Gesellschaft", so Fargues. "Aber er ist sich dessen bewusst. Er weiß, dass es schwierig ist, man selbst zu sein. Vielleicht kommt das mit den Jahren oder wenn er sich wirklich verliebt, aber dieser Mann ist zum Beispiel überhaupt nicht romantisch. Er ist noch nicht fähig, vertrauenswürdig zu sein, er hat nicht genug Selbstvertrauen, um richtig lieben zu können."

Ambitionierte Themen

Ein Besuch bei seinen Verwandten auf den Concordinen konfrontiert Antoine schließlich mit seiner anderen, seiner karibischen Seite, mit der er sich arrangieren muss. Tatsächlich behandelt "Die Rolle meines Lebens" sehr französische Themen und Nicolas Fargues übt darin unverhohlen Kritik am Umgang Frankreichs mit seinen Einwanderern.

"Man muss auf der Straße nur seine Augen öffnen, um festzustellen, dass es ein Problem in diesem Land gibt", meint Fargues. "Wir sind das 'Liberté, Egalité, Fraternité'-Land, ich denke, wir sind ein sehr konservatives Land, daher: Freiheit ja, aber auf welche Weise? Und Brüderlichkeit - nein! Es hat nicht nur damit zu tun, dass Farbige schlechter ausgebildet sind, sondern dass sie auch nicht die Möglichkeit erhalten, in die Politik zu gehen oder eine wichtige Rolle in der Wirtschaft zu spielen. Es hat damit zu tun, dass wir geistig noch immer zu blockiert sind."

Aber all diese ambitionierten Themen bleiben ein wenig im Ansatz stecken. Über weite Strecken plätschert der Roman dahin, bleibt richtungs- und antriebslos, sodass die Botschaft dahinter etwas Verwaschenes und Unbestimmtes bekommt.

Persönliche Bedeutung

Nicolas Fargues selbst ist sich der Schwächen seines Buches sehr bewusst: "Ich bin kein großer Romancier, ich hab keine so starke Vorstellungskraft und nicht die Fähigkeit, eine komplexe Handlung zu entwerfen", sagt er. "Ich möchte einfach über die Dinge sprechen, die mich interessieren. Und dann baue ich etwas, das man als Handlung bezeichnen könnte. Zu Beginn wollte ich dieses Buch nicht in der Ich-Form schreiben. Dann aber entdeckte ich, dass es aufrichtiger klang. Aber das war vielleicht ein Fehler; manchmal glaube ich, dass dieses Buch besser hätte sein können, wenn ich es anders geschrieben hätte. Aber wie auch immer - wichtig ist, dass ich einige Ideen hinein genommen habe, die für mich Bedeutung haben, auch wenn es nicht mein Lieblingsroman ist."

So ganz ist Nicolas Fargues seinen Ambitionen diesmal nicht gerecht geworden. "Die Rolle meines Lebens" präsentiert sich letztlich als nicht unangenehmer und recht gut erzählter Roman, dem nur ein bisschen die innere Struktur zu fehlen scheint - was möglicherweise auch daran liegt, dass Fargues ein ungeduldiger Autor ist, der sich, wie er selbst sagt, nicht genug Zeit nimmt, um an seinen Texten zu feilen. Aber wenn dem Buch auch die Strahlkraft seines Vorgängers fehlt - es ist ein aufrichtiger Roman geworden, und das ist für Nicolas Fargues letztlich das Allerwichtigste.

Hör-Tipp
Ex libris, jeden Sonntag, 18:15 Uhr

Buch-Tipp
Nicolas Fargues, "Die Rolle meines Lebens", aus dem Französischen übersetzt von Christian Kolb, Rowohlt Verlag

Link
Rowohlt - Nicolas Fargues