Leben im Internet und in der Wirklichkeit
Reale Identitäten
Inspiriert durch Jules Vernes "Reise um die Erde in 80 Tagen" ist das Linzer Ars Electronica Center im Rahmen von "Linz 2009" zu einer Reise um die Welt aufgebrochen. Next Stop: Internet - Linz/Österreich. Das Thema heißt: Internet.
8. April 2017, 21:58
"Identität ist ein ewiger Prozess, die Identität eines Menschen ändert sich im Laufe eines Lebens, genauso wie seine Einstellung zur Liebe, Familie und zu Werten." Für den Philosophen Peter Kampits ist das Thema Identität ein "altes" philosophisches, mit dem sich die Menschheit schon immer beschäftigt hat, um ein Bewusstsein von sich selbst zu entwickeln.
Identitäten entwickeln sich in sozialen Kontakten mit anderen: Giulietta Berisha, Mitarbeiterin des 80+1-Projektes "SmartEars" des BORG Linz, spricht Linzer "Dialekt" und wirkt so wie viele Teenager, dennoch ist Giulietta - wenn man so will - ein "spezieller" Fall: Ihr Vater ist Kosovo-Albaner, ihre Mutter Tschechin, die Eltern sind nach Österreich gekommen und haben sich hier ihr gemeinsames Leben aufgebaut.
Darauf angesprochen, wie sie mit den verschiedenen Sprachen und Herkünften umgehe, lacht Giulietta und sagt, sie sei ein "Mischling". Und sie wirkt bei diesem Satz sehr selbstbewusst - kein Wunder: Giulietta spricht Deutsch, Albanisch, Tschechisch und durch die Schule Englisch und Französisch.
Vorteil Vielsprachigkeit
Die vielen Einflüsse haben eine ganz besondere Identität geschaffen. Das hat große Vorteile und auch kleinere: "Wenn ich mit meiner Mutter über etwas reden möchte, das der Papa nicht verstehen soll, dann rede ich mit ihr einfach tschechisch", sagt Giulietta.
In der Familie wird jene Sprache verwendet, die sich gerade anbietet: Wenn zum Beispiel das albanische Fernsehprogramm läuft, dann spricht Giulietta mit ihren Geschwistern albanisch, wenn sie in Tschechien auf Verwandtenbesuch ist tschechisch und so weiter. Giulietta ist ein Beispiel für den flexiblen Umgang mit verschiedenen Aspekten ihrer Identitäten, die situationsspezifisch eingesetzt werden können.
Scheinidentitäten
Das Internet kann als Tummelplatz für Wunschidentitäten und Selbstmaskierungen gesehen werden, als ein Ort, an dem jede Person eine beliebige Identität mit unterschiedlichen Charaktereigenschaften einnehmen kann. So finden sich im Netz überproportional viele Personen, die mit Schönheit, beruflichem Erfolg und meist auch mit exotischen Hobbys ausgestattet sind. Es kommt zu radikalem Rollenwechsel im Internet, und es gibt - wie Nicola Döring schreibt - Schätzungen, wonach in manchen Netzforen 80 Prozent der mit weiblichem Namen auftretenden Personen in Wirklichkeit Männer sind.
Erich Möchel, Redakteur bei futurezone.orf.at, spricht lieber von "Pseudonymen als von falschen Identitäten", für ihn geht es bei diesen Identitätskonstruktionen um Schutzmauern, die sich Menschen zulegen, um "zunächst einmal zu schauen, ob die Seiten, die ich mir ansehe, auch zuverlässig sind."
Tarnen und Theaterspielen sei ein menschliches Grundbedürfnis, das Netz die Bühne für sehr viele. Und gegen die Gefahren dieser Bühne helfe nicht Kontrolle von oben, sondern schlicht und einfach Medienkompetenz - damit man nicht eines Tages von einem Personalchef mit seinen "ewig" im Netz verbleibenden Jugenddummheiten konfrontiert werden kann.
"80+1 - Eine Weltreise" ist ein Projekt für
Linz 2009 Kulturhauptstadt Europas.
Mit freundlicher Unterstützung der voestalpine AG.
Mehr zu Linz 2009 in oe1.ORF.at
Hör-Tipps
Digital.Leben, bis 6. September 2009, Montag bis Donnerstag, 16:55 Uhr, "80+1 - Eine Weltreise", Berichte über das Projekt von "Linz 2009 Kulturhauptstadt Europas". Die einzelnen Beiträge sind auch über den Ö1 Podcast erhältlich.
Mehr dazu unter Ö1 Podcast
Die Sendungsinhalte zum Projekt "80+1" sind auch unter der Festnetznummer 050 304-2009 abrufbar (Gebühren gemäß den Tarifen Ihres Telefonanbieters).
Tipp
Zum Abschluss von 80+1 und dem gleichzeitigen Beginn der Ars electronica ist Radio Österreich 1 mit dem "Mobilen Ö1 Atelier" als Kommunikationsplattform auf dem Linzer Hauplatz präsent und widmet sich in Zusammenarbeit mit dem Festival dem Kernthema "Human Nature". Parallel dazu ist das Ö1 Kulturjournal live vor Ort und sendet von 31. August bis 4. September 2009 erstmals aus dem obersten Stock des neuen Ars Electronica Center (AEC).
Link
80 + 1