Stromproduktion statt freier Fließstrecken?

Wie sauber ist Österreichs Wasserkraft?

Eine Offensive für zusätzliche Wasserkraftwerke soll Österreichs Klimabilanz verbessern. Ganz so sauber ist der Strom aus der Wasserkraft aber nicht, denn Österreichs freie Flussstrecken erfüllen auch andere wichtige ökologische Funktionen.

Die fossilen Energieressourcen sind begrenzt. Peak Oil, die maximale Förderleistung von Erdöl, ist längst erreicht. Es wird Zeit, die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu verringern. Erdöl wird nicht nur teuer, es wird auch zunehmend Gegenstand kriegerischer Auseinandersetzungen. Und nicht zuletzt erfordert der voranscheitende Klimawandel ein radikales Umdenken in der Energiepolitik. Der Druck auf die Nutzung von Elektrizität wird größer. Ob Elektroautos oder der Betrieb von Wärmepumpen, die Abkehr von fossilen Energieträgern braucht Strom.

Der Gedanke an Wasserkraft ist nahe liegend. Einmal gebaut, liefert ein Wasserkraftwerk viele Jahrzehnte hindurch Strom, ohne Emissionen in die Luft zu blasen. Die österreichische Klimabilanz hat das dringend nötig. Der Ausstoß von Treibhausgasen liegt weit über den vom damaligen Umweltminister Martin Bartenstein in Kyoto vereinbarten Klimazielen.

Wasserkraft nicht so sauber, wie viele glauben

Die Nutzung der Wasserkraft schlägt Wunden in die Natur. Ein Wasserkraftwerk bringt das Ökosystem eines Fließgewässers gehörig durcheinander. Ein Fluss kann in Ober-, Mittel- und Unterlauf gegliedert werden. Im Oberlauf wird Geröll mit hoher Fließgeschwindigkeit abgetragen. Im Unterlauf werden die zermahlenen Steine bei langsamer Fließgeschwindigkeit als Sand abgelagert. Diesen Voraussetzungen passen sich die gesamte Pflanzen- und Tierwelt an. Wird dazwischen ein Kraftwerk errichtet, so ändert sich die Fließgeschwindigkeit. Die dort ursprünglichen Organismen passen nicht mehr zum Fluss.

Qualität des Trinkwassers kann beeinträchtigt werden

Nicht nur Fische und Käfer zählen zu den Verlierern eines Kraftwerksbaues. Der Staubereich muss gegenüber dem Grundwasser abgedichtet werden. Der sonst übliche Austausch zwischen Fluss und Grundwasser ist damit unterbrochen. Das Grundwasser wird dementsprechend weniger mit frischem Wasser versorgt. Nicht zuletzt ist damit auch die Trinkwasserversorgung für die Menschen beeinträchtigt.

Experten warnen vor häufigeren Hochwasserereignissen

Nicht zuletzt wird die Fähigkeit, starke Regenmengen aufzunehmen, durch allzu viele Kraftwerksbauten verringert. Denn ist einmal ein Fluss zum größeren Teil mit Kraftwerksbauten bestückt, so fließen die Wassermassen schneller ab und können weniger in umliegende Bereiche einsickern. Das macht Fließgewässer anfällig für Hochwasserereignisse. Experten verlangen großzügige Retentionsräume anstelle von weiteren Kraftwerksbauten.

Kraftwerke zur Verbesserung der Gewässerökologie?

Kraftwerksbauer hingegen beteuern, man hätte in den letzten Jahrzehnten viel dazu gelernt. Kraftwerke sehen heute anders aus als vor 30 Jahren. Mitunter können ökologische Verbesserungen durch den Bau eines Wasserkraftwerkes gemacht werden. Und gerade beim Thema Hochwasser ermöglichen Kraftwerke ein rechtzeitiges Aufmachen der Schleusen um die Wassermassen rechtzeitig abzuführen.

Ob das stimmt, kann erst im Nachhinein endgültig beurteilt werden. Jedenfalls ist - so wie die fossilen Energieressourcen - auch das Potential für die Nutzung der Wasserkraft begrenzt. Selbst wenn alle Fließgewässer verbaut werden, so würde das höchstens den Stromverbrauchszuwachs der nächsten zehn bis zwanzig Jahre abdecken. Und dann wird man sich ohnedies die Frage stellen müssen, ob es unbedingt so sein muss, dass der Stromverbrauch steigt.

Hör-Tipp
Journal Panorama, Montag, 7. September 2009, 18:25 Uhr

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WWF
Verband der Elektrizitätsunternehmen Österreichs