Zusammen sind sie die Stimme Gottes

Audiencing

Irene Knava hat eine Firma namens Audiencing gegründet. Im Oktober kommt das gleichnamige Buch heraus. Dabei steht das Publikum im Mittelpunkt. Deswegen auch der neue Begriff Audiencing, den Irene Knava erfunden hat.

Was Billy Wilder sagte, gilt noch viel mehr heute: "Theater, Oper, Konzert funktioniert ohne Menschen nicht, weil nichts stattfindet, wenn ich alleine auf der Bühne stehe." Irene Knava hat als Marketing-Leiterin des Josefstadt-Theaters und des St.Pöltner Stadttheaters Erfahrungen gesammelt, die sie jetzt als Universitätslektorin und als Buchautorin weitergibt. Im Herbst kommt auch ein Puzzle-Spiel auf den Markt. Kinder spielen Publikum.

Audiencing - das Arbeitsbuch um Publikum erscheint im Oktober 2009 im Facultas-Verlag. Es ist das erste Buch, das das Publikum in den Mittelpunkt rückt und in dem das Publikum in Form von Interviews selber zu Wort kommt. Audiencing ist ein Buch aus der Praxis für die Praxis und schließt die in der Literatur vorhandene Lücke zwischen Theorie und Theater-Alltag. Publikums-Orientierung, Marktforschung, Segmentierung, Service an der Spielstätte, Bindungs-Instrumente und Vermittlung werden vorgestellt.

Irene Suchy: Haben Sie etwas erkannt, was man nie machen sollte, um sein Publikum nicht zu vertreiben?
Irene Knava: Also ich glaube man soll die Leute nie für blöd verkaufen. Letztendlich geht es immer um das, was auf der Bühne stattfindet. Wenn das nicht gut ist, dann kann ich noch so schöne Service-Angebote haben, dann kann ich noch so schöne Plakate überall aufkleben - die Menschen werden trotzdem nicht hinkommen.

Wenn ich meine Animositäten überwunden habe und ins Konzert gehe; ich geh hin und gehe früher weg, oder ich lege mein Abonnement zurück. Wer holt mich zurück?
Perfekt wäre es, wenn man Sie anrufen würde. Angenommen, Sie legen Ihr Abo jetzt zurück, dass man Sie dann nicht kommentarlos ihr E-Mail, Ihren Anruf hinnimmt, sondern Sie fragt, warum tun Sie das eigentlich? Also es kann auch zum Beispiel sein, Sie können nicht am Mittwoch ins Theater gehen und Sie wissen nicht, dass es am Donnerstag auch ein Abo gibt. Es wissen viele Leute auch nicht, dass es Wahlabos gibt. Oder ich könnte auch sagen, gut, es passt für Sie jetzt nicht, aber, dürfen wir Sie wieder anschreiben im nächsten Jahr; also das heißt, den Kontakt nicht abreißen zu lassen.

Eine der von Ihnen beschriebenen Chancen, die noch wenige Kulturmanagerinnen und Kulturmanager ergreifen, ist, dass man flexibler agiert, und besonders herausgestrichen haben Sie das Überraschungsabo der Jeunesses Musicales.
Man kauft quasi ein Abo-Paket, und bekommt hier während der Saison relativ viele Vorstellungen vorgeschlagen. Das Besondere daran: Ich werde kontaktiert. Das heißt, die Aktion, das Pferd ist einfach von der anderen Seite aufgezäumt.

Wenn die Bühne in der Mitte ist, da gibt's dann rundherum das Programmheft, den Kartenpreis, die Pause, die Klimaanlage, die Räume für Bedürfnisse, die Sitzplatzenge oder -weite oder auch die Dauer des Stückes. Hab ich jetzt was ganz Wesentliches vergessen?
Also vergessen haben Sie all die Menschen, die da arbeiten, das heißt, Sie rufen da mal an, ist da jemand Freundlicher am Telefon oder haben Sie das Gefühl, Sie hängen schon mal ganz lang in der Warteschleife.

Theater können nie ihre Callcenter nach Indien auslagern...
Nein, das geht nicht. Es funktioniert schon nicht über die großen Ticketveranstalter, weil die ihnen nicht sagen können, wie lange es dauert oder wer mitspielt.

Idealerweise haben die Menschen, die Auskunft geben, auch das Stück gesehen.
Das ist der Idealzustand. Das heißt, das sollte schon sein, dass die Menschen, die das Produkt verkaufen auch Produktkenntnis haben. Mein Beispiel ist immer der Fleischhauer, der Vegetarier ist. Ziemlich kontraproduktiv ist es auch, wenn man im Haus ein Restaurant hat, das so spät aufsperrt, dass sich warmes Essen vor der Vorstellung gar nicht mehr ausgeht.

Es gibt in den Dramaturgien ideologische Kämpfe, ob eine Inhaltsangabe im Programmheft stehen muss oder darf.
Wir wissen: Die Leute wünschen sich Inhaltsangaben und es ist oftmals nicht gewünscht von der der künstlerischen Leitung, die zu liefern.

Theater und Neue Medien - ist das die größte Chance, Videoclips, Großbildleinwände?
Also ich glaube schon. Zum Beispiel Joachim Lux am Thaliatheater macht von den Proben kleine Videosequenzen und stellt die dann zeitgleich ins Internet. Ich denke, darum geht es: am Stück näher dran zu sein und zu sehen, ich bin in diesem Produktionsprozess, der ja spannend zu verfolgen ist, dabei.

Der männliche Besucher ist das sehnsüchtig umworbene Wesen, das viel zu wenig in Theater und Oper geht.
Ich glaube Theater hat mit Kommunikation zutun und Frauen sind kommunikativer.

Was ist mit Kleidung? Das war ja früher ein großer Punkt der Abschreckung. Männer müssen sich Krawatten umbinden...
Also ich erlebe das zum Beispiel so: Ich war schon öfters in der Schweiz im Theater und dort ist es viel legerer als bei uns. Dort gehen die Männer auch im kurzen Hemd oder im Pullover, diese Legerheit hat man bei uns nicht hier in Wien, würde ich sagen. Kleiderzwang gibt es eigentlich nicht mehr. Man kann letztendlich hingehen wie man will und in die Oper geht eigentlich keine Frau mehr im langen Abendkleid.

Hör-Tipp
Apropos Musik, jeden ersten Sonntag im Monat, 15:06 Uhr

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