Patienten wird falscher Eindruck vermittelt

Kuvert-Medizin

Eine Privatbehandlung ist im Gesundheitswesen nicht immer gleichbedeutend mit "besser". Diese Erkenntnis musste sich eine 22-jährige Sportlerin teuer erkaufen. Einerseits mit ihrer Gesundheit und andererseits finanziell.

Eine 22-jährige Frau verletzt sich im April beim Tennisspielen am Knie: Kreuzbandriss. Für eine Sportlerin eine heikle Sache. Sie scheut daher keine Kosten und sucht einen Arzt in seiner Privatordination auf, um die bestmögliche Behandlung zu bekommen. Sie wird von ihm am Knie operiert, allerdings in einem öffentlichen Krankenhaus.

Die erste Überraschung erlebt die junge Frau unmittelbar nach der OP. Es wird weder eine Drainage gelegt, noch die Operationswunde zugenäht, wie sie sagt. Darüber wäre sie bei den Operations-Vorbereitungsgesprächen in der Privatordination nicht informiert worden. Auf ihr Drängen bekommt sie vom Krankenpersonal die Auskunft: "...das würde man heutzutage so machen, damit die Patientinnen und Patienten früher nach Hause gehen können".

Warum die frisch operierte Patientin unerträgliche Schmerzen hat, kann man ihr nicht erklären. Zwei Tage nach der Operation wird die Frau aus dem Krankenhaus entlassen.

Teure Komplikation

Die Schmerzen halten an. Beunruhigt konsultiert die junge Sportlerin abermals ihren Arzt in seiner Privatordination. Von ihm hört sie, sie solle nicht zimperlich sein und dass nur die "Harten" durchkämen. Erbost verlässt die Patientin die Ordination. Am Tag darauf bekommt sie Fieber.

Ihre Eltern bringen sie wieder in ein Krankenhaus. Diesmal in ein anderes. Dort stellt man eine Entzündung des operierten Knies fest und die Frau wird gerade noch rechtzeitig mit Antibiotika behandelt.

Wofür wurde eigentlich bezahlt?

Abgesehen davon, dass die Kreuzband-Operation nicht optimal verlaufen ist, hat sie der Frau 1.500 Euro gekostet. Hinzu kommt, dass sie bis jetzt unter massiven Schmerzen leidet, in ihrer Bewegungsfähigkeit eingeschränkt ist und nur mit Krücken gehen kann. Durch langwierige Rehabilitationsmaßnahmen baut sie derzeit langsam ihre Muskeln auf.

Für den Sprecher der Österreichischen Patientenanwälte, Dr. Gerald Bachinger, liegt hier ein klarer Fall von "Kuvert-Medizin" vor. Der Patientin sei der Eindruck vermittelt worden, sie bekomme einen Operateur ihrer Wahl, wenn sie 1.500 Euro bezahlt, so der Patientenanwalt. Die Sachlage sei jedoch die, erklärt er weiter:

  • Der Operateur hat in einem öffentlichen Krankenhaus operiert.
  • Die Frau wurde nicht als Sonderklassepatientin geführt.
  • Es wurden von dem Operateur keine finanziellen Leistungen für die Benutzung der Infrastruktur an das öffentliche Krankenhaus abgegeben.
  • Die Patientin hat auch die Ordinationsbesuche selbst bezahlt. Die Kosten dafür lagen allerdings im üblichen Rahmen von 80 bis 100 Euro.
Die Frage ist also: Wofür wurden die 1.500 Euro aufgewendet?

Ethisch bedenklich und rechtlich unzulässig

Das Pikante an diesem Fall ist, dass es eine Komplikation gegeben hat und nur dadurch diese "Kuvert-Medizin" an die Patientenanwaltschaft herangetragen wurde.

In den meisten Fällen sei das deswegen nicht möglich, sagt Dr. Bachinger, weil es aus Sicht der beiden Partner zwei Gewinner gibt. Den Patienten, der den Eindruck hat, er erhalte durch Zuzahlung die beste Medizin und den Arzt, der extra dazu verdient. Das sei aber nicht notwendig, da es in Österreich ein öffentliches Gesundheitswesen gibt.

Um eine entsprechend gute Betreuung zu bekommen, sei es also keinesfalls notwendig Extra-Zahlungen zu leisten, betont der Patientenanwalt. Im aktuellen Fall gehe es um einen Vorgang, der ethisch äußerst bedenklich und rechtlich unzulässig sei. Für Dr. Bachinger trifft daher die Definition für Korruption im Gesundheitswesen zu: Missbrauch Anvertrauter zu persönlichem Nutzen.

Hör-Tipp
Radiodoktor - Gesundheitsmagazin, Montag, 14. September 2009, 14:05 Uhr

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