Die Künstlerin Valie Export

Auf meiner Körperleinwand

Schon der Name ist Teil des Programms: 1967 verwirft Waltraud Höllerer, geboren 1940 in Linz, ihren bürgerlichen Namen und kreiert, in Anlehnung an eine bekannte Zigarettensorte, die Marke Valie Export - mit dazugehörigem Logo.

Eine Bekannte erzählte mir, dass sie sich als tendenziell rebellische Jugendliche auf einer Tattoo-Messe spontan tätowieren ließ. Ohne lange nachzudenken, wählte sie aus einem Katalog das Motiv eines possierlichen Comic-Hundes. Bei der Figur handelte es sich um Odie, den dodeligen, geifernden Gefährten von Garfield, wie sie später erfahren sollte. Nach mehreren Versuchen, die Jugendsünde von ihrem Fußgelenk mit Laser entfernen zu lassen, ist von der Tätowierung nun ein formloser, graublauschwarzer Fleck mit flaugelben Einsprengseln übrig geblieben. Jetzt ist die Tätowierung meiner Bekannten zwar nicht schön, dafür aber einzigartig. Wenn man ihre Geschichte nicht kennt, sind die meisten Tätowierungen ganz schön langweilig, zuweilen auch wenig ansehnlich.

Anders denke ich über das Motiv, das sich die Künstlerin Valie Export vor fast 40 Jahren auf ihren linken Oberschenkel tätowieren ließ: Das Strumpfband hält allem stand. Es ist deshalb so gut, weil es nicht bloße Dekoration ist, sondern ein Kunstwerk, das auf mehreren inhaltlichen Ebenen funktioniert. "Body Sign Action", wie Valie Export die Aktion benannte, veranschaulicht ihr Verständnis vom Menschen als Informationsträger und vom Körper als Leinwand, die Zeichen transportiert.

Zeichen und Träger

In der Ö1 Reihe "Im Gespräch" sagte die Künstlerin 2005: "Der Körper trägt ja sowieso die ganzen Zeichen der Gesellschaft und der Zuordnungen, des Körperausdruckes und der Kommunikation, der Kleidung und so weiter. Also der Körper ist einfach für sich ein Zeichen und ein Träger und eine Leinwand. Und diese Zeichnung lebt auf meiner Körperleinwand und ist existent auf meiner Körperleinwand, solange ich lebe. Solange ich lebe und solange die Künstlerin lebt, lebt auch die künstlerische Leinwand."

Zeit parallel zur Zeit

Wie Valie Export diese "Leinwand" bearbeitet hat, kann für die Zuschauerinnen und Zuschauer schmerzhaft einprägsam sein. In "Remote... Remote...", einem 16-mm-Film von 1973, ritzt die Künstlerin mit einem Messer in ihre Fingernagelhaut, bis Blut in eine Schüssel voll Milch auf ihrem Schoß tropft. Hinter der sitzenden Frau hängt ein Foto von zwei misshandelten Kindern.

Menschliches Verhalten wird im Gegensatz zu Maschinen (Tieren) durch Ereignisse in der Vergangenheit beeinflusst, so sehr diese Erfahrungen auch zurückliegen mögen. Dadurch gibt es eine zur objektiven Zeit parallel laufende, seelische Para-Zeit, wo die Gebete der Angst und der Schuld, die Unfähigkeit zu siegen, Deformierungen, die die Haut aufreißen, ihre konstante Wirkung haben. Ich zeige etwas auf, was Vergangenheit und Gegenwart darstellt. Ich nage mein Selbst von mir. Meine Außenseite zeigt die Innenseite, indem ich mich nach innen bewege.

Das schreibt Valie Export über diese Filmaktion. Mit Arbeiten wie dieser ist die 1940 in Linz geborene Künstlerin in die Kunstgeschichte eingegangen. Beachtenswert ist, dass sie nicht aufgehört hat, gute Kunst zu machen. Das gelingt wenigen.

Kommissärin bei der Biennale

Die gesellschaftspolitischen und medienanalytischen Themen ihrer Arbeiten hat Valie Export konsequent weiterentwickelt, ohne sich in der Wiederholung des Gleichen zu verfangen. An der Biennale di Venezia und der Kasseler documenta, den international bedeutendsten Großausstellungen von Gegenwartskunst, nahm die Medienkünstlerin mehrfach teil - gemeinsam mit der Kunsthistorikerin Sylvia Eiblmayer ist Valie Export heuer Kommissärin des österreichischen Beitrages zur Biennale.

Neben Dorit Margreiter sowie Lois und Franziska Weinberger nimmt auch Elke Krystufek teil - sie ist eine jener Künstlerinnen der jüngeren Generation, deren Werk den Pionierleistungen von Valie Export verpflichtet ist.

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