Ein Kaleidoskop gescheiterter Existenzen
Unfun
Der dritte Roman des vielbejubelten Schriftstellers und Künstlers Matias Faldbakken, "Unfun", ist ein herausragendes Beispiel für einen Ironie-verseuchten Text. Nicht von ungefähr rangieren die Bücher des Norwegers unter dem Schlagwort "Kult".
8. April 2017, 21:58
Eines der auffallendsten Medienphänomene der letzten Zeit ist die Art und Weise, wie sich die Inhalte der jeweiligen Medien verändert haben. Die ehemals "ernsten" Medien wie das Theater wollen mit aller Kraft "jung" sein - sprich oberflächlich und leicht konsumierbar -, die ehemals "dummen" Medien aber, wie Computerspiele und Fernsehserien, werden zunehmend komplexer und intelligenter.
Und was ist mit dem guten alten Roman? Mit jenem Medium also, das fast zwei Jahrhunderte als Synonym für gediegene Welterklärung stand? Der Roman will alles sein, nur ja kein traditioneller Roman. Nichts mehr ist da mit Handlungssträngen, mit diffiziler Charakterzeichnung. Gewalt ist wichtig, Sexualität ist immer gut, und Spaß, ja Spaß muss sein. Dann gilt ein Roman schnell als "Kult" und die Verlage hoffen, so jene Konsumenten zu erreichen, die sonst nie zu einem Buch greifen würden.
Bad weather
Ganz vorne im Regal "aktuelle Kultbücher" stehen die Werke von Matias Faldbakken. Als "literarischer Gesellschaftsporno" wird das Werk vom Verlag gepriesen und auch das ist ein Zeichen für die Umcodierung der Begriffe, denn "Unfun" ist alles, nur kein Porno. Worum also geht es in dem dritten Roman des vielbejubelten Schriftstellers und Künstlers Matias Faldbakken? Im Mittelpunkt eines Kaleidoskops gescheiterter und verzweifelter Existenzen steht Lucy. Eine afrikanisch-skandinavische Anarchistin ist sie, die von ihrem Ex-Mann Slaktus und den beiden Söhnen Wataman und Atal zur Verzweiflung getrieben wird.
Die Dialoge des Romans sind größtenteils in Pidgin English gehalten. Das liest sich, wenn die beiden Zwillinge fernsehen und sich über das schlechte Wetter freuen, dann so:
"The weather is gonna be bad!" rufen sie zu uns rein, als wollten sie uns auf dem Laufenden halten, was draußen in der Welt vor sich geht. "Houses are being destroyed by water! All over Europe! Storm! Landslide! Africa! USA!
"The weather report?" fragt Taiwo verwundert?
"Yes, they are really into weather", sage ich.
Außerhalb des Systems
"Unfun" ist ein herausragendes Beispiel für einen Ironie-verseuchten Text. Die Namen der Protagonisten? Allesamt bescheuert. Die Handlung? Fraktal, gebrochen, sich selbst nicht ernst nehmend. Slaktus zum Beispiel arbeitet gerade an einem Computergame, das früher als Film gedacht war und das als eine Art umgedrehtes "Heart of Darkness" gelesen werden muss. Der Protagonist, ein typischer Migrationsverlier, strandet in Paris und wie bei Joseph Conrad damals der Forscher aus dem Westen sich im Dschungel fremd fühlt, fühlt sich bei Slaktus der Afrikaner in Paris fremd. Und mittels einer Steinsäge wird der Migrant zum Slasher und bringt die schönen Pariser und Pariserinnen um.
Die Anarchistin Lucy hat ihre Kinder in der Abgeschiedenheit zur Welt gebracht, weil sie darin die einzige Möglichkeit sah, ihre Buben außerhalb des Systems zu halten. Nirgends sind sie gemeldet, keine Schule haben sie besucht. Keine offiziellen Namen tragen sie. Was zur Folge hat, dass die beiden die reinsten Terroristen sind. Sie stopfen sich mit Knabberzeug voll und sind komplette Idioten. Und so wie alles andere ist auch ihre Sprache deformiert.
"AAAAAAA.... aaauuuu .... huuust ... haha ..." keucht er.
"Hehe ... verdammte Scheiße. Atal das war knapp, he-he", sagt Watamann.
"Mein Auge ..." heult Atal
"Heh ... he-he-he", lacht Atal
"Haha! Haha!" lacht Watamann.
Intellektueller Selbsthass
Es ist nicht so, dass Faldbakken keine originellen Gedanken hätte. Seine Überlegungen zur Gesellschaft, seine Beobachtungen des Alltags sind teilweise durchaus gelungen. Was aber irritiert ist der intellektuelle Selbsthass, der den Text durchzieht. In den letzten Jahren scheinen sich viele junge kluge Leute ihre klugen Gedanken nur mehr dann zu Papier bringen zu trauen, wenn sie mit einer dicken Schicht Ironie übertüncht sind. Alles muss lustig klingen, nichts wird ernst genommen. Und so prallt jegliche Kritik an der ironischen Teflonschicht ab, ist doch die schlechte Kritik in den Text schon eingewoben. Und der, der meint, die permanenten Gewaltferenzen, das Prügeln, Umbringen und Töten wäre nicht nur langweilig, sondern auch sehr, sehr plakativ, der steht schnell als Spielverderber da.
"Bringst du uns um, Mama?"
"Nein", sage ich und steche Wataman in den Bauch. Er krümmt sich mit einem Stöhnen zusammen und gibt ein Gurgeln von sich, das wie ein Kichern klingt. Kichert er noch immer? Ja, er lacht tatsächlich.
"Au ... hehe, verdammt Mama", grinst Wataman. "bringst du mich jetzt um?"
"Nein", sage ich und steche erneut zu.
Hör-Tipp
Ex libris, jeden Sonntag, 18:15 Uhr
Buch-Tipp
Matias Faldbakken, "Unfun", aus dem Norwegischen übersetzt von Max Stadler, Blumenbar Verlag
Link
Blumenbar Verlag - Matias Feldbakken