Waris Diries Kampf gegen Genitalverstümmelung
"Ich verlange Veränderung"
Im Buch "Wüstenblume" beschreibt Waris Dirie ihre eigene Beschneidung. Seit es das Nomadenmädchen aus Somalia auf die Cover der Modemagazine geschafft hat, kämpft sie gegen weibliche Genitalverstümmelung. Jetzt kommt die Verfilmung des Romans ins Kino.
23. November 2023, 15:32
"Den Tag, der ihr Leben veränderte" sollte Waris Dirie 1997 in einem Interview für die Zeitschrift "Marie Claire" beschreiben. In der Rubrik "The Day that changed my Life" wollte man eine Aschenputtel-Story über eines der damals meistgebuchten Fotomodels abdrucken, denn die junge Somalierin war bei ihrer Arbeit als Putzfrau in einem Londoner Fastfood-Restaurant von einem Starfotografen entdeckt worden.
Dirie wollte der Modereporterin aber nicht von jenem "Glückstag" erzählen, von dem an mit ihrem Gesicht sehr viel Geld gemacht wurde, sondern von einem Tag, den sie als fünfjähriges Mädchen in der somalischen Wüste durchleben musste - und der sie von Grund auf veränderte. Als erste afrikanische Frau sprach sie öffentlich über weibliche Genitalverstümmelung - und wurde zur bedeutendsten Aktivistin im Kampf gegen diese frauenverachtende Tradition.
"Die Wüstenblume" kommt ins Kino
Ihren Lebensweg - vom "Horn von Afrika" auf die Laufstege der Welt und von dort auf die Podien der UN-Menschenrechtsversammlungen - zeichnet nun die Verfilmung ihres ersten, autobiografischen Romans nach: "Wüstenblume" läuft am 9. Oktober 2009 in den österreichischen Kinos an.
Als Nomadenkind wuchs Waris Dirie in der somalischen Steinwüste bei Gallacaio, an der Grenze zu Äthiopien, auf. Um einer Zwangsheirat zu entgehen, schlug sie sich als 13-Jährige alleine nach Mogadishu (und von dort nach London) durch. Die Kindheitsszenen für den Film "Wüstenblume" wurden im angrenzenden Eritrea mit Laiendarstellern und -darstellerinnen gedreht.
Sie sind, so Dirie, diejenigen, in welchen sie sich am stärksten wiedererkennt: "Die Afrikasequenzen, in denen ich durch die Wüste gehe, sind wunderschön. Der Film versucht, den Spuren meines wirklichen Lebens zu folgen, soweit das in zwei Stunden möglich ist. Aber er dreht sich nicht um Glamour oder um die Modewelt. Dafür, dass ich ihn gemacht habe, gibt es nur einen Grund: Ich wollte eine Botschaft vermitteln. So stark und so einfach wie nur möglich."
Tödliche Tradition
Diries Botschaft ist klar: Weibliche Genitalbeschneidung ist ein schweres Verbrechen, das, vor allem in den medizinisch unterversorgten Regionen Afrikas, oft mit dem Tod der Beschnittenen endet. Der Film sei, so Dirie, nur ein weiterer ihrer zahlreichen Versuche, dafür ein Bewusstsein zu schaffen. Denn Tag für Tag werde dieses Ritual an 6.000 Mädchen und Frauen auf der ganzen Welt vollzogen: "Ich verlange eine Veränderung. Und vor allem möchte ich nicht in einem Jahr wieder hier sitzen und mich wiederholen. Es ist Zeit für die Politiker der Welt, etwas gegen diese Form des Missbrauchs zu tun. Und ich verstehe nicht, warum ich in diesem Kampf als Marke herhalten muss. Das ist ungerechtfertigt und unfair."
"Genitalbeschneidung ist Folter"
Durch ihren jahrelangen Einsatz gegen eine jahrtausendealte und in vielen Kulturen scheinbar hoffnungslos tiefverankerte Form der Unterdrückung ist Waris Dirie eine unbequeme, forsche, manchmal auch übellaunige Frau geworden. Von ihrer Familie lebt sie abgeschnitten, weil sie die Traditionen ihrer Heimat öffentlich anprangert.
Ihren Lebensmittelpunkt hat sie zurzeit in Danzig. In Wien hat ihre Stiftung zum Kampf gegen Genitalverstümmelung - die "Waris Dirie Foundation" - ihren Sitz. Von der UN, deren Sonderbotschafterin sie war, hat sie sich abgewandt, weil sie es überdrüssig war, als Aushängeschild für eine Organisation zu dienen, in der, so Dirie, zu viel gesprochen und zu wenig getan werde.
"Dieses Problem ist nicht mein persönliches Problem, sondern eines der Menschheit. Genitalbeschneidung ist eine Folter. Sie ist grausam. Sie ist ein Verbrechen. Ich will, dass sich die Welt auf dieses Problem stürzt und es löst - das ist alles, was ich verlange. Und ich will keine langen Reden mehr hören. Ich will Resultate."
Hör-Tipp
Leporello, Dienstag, 29. September 2009, 7:52 Uhr
Link
Waris Dirie Foundation