I Stangl blickt auf sein wildes Heldenleben zurück
Wir Helden
Enorm, was dieser I Stangl alles geleistet haben will: Zwentendorf verhindert, die sexuelle Revolution fast im Alleingang durchgezogen und eine 1975er Feinripp-Unterhose bis heute in Betrieb gehalten. Jetzt blickt er auf sein wildes Heldenleben zurück.
8. April 2017, 21:58
"1968 war in Frankreich, in Deutschland, überall Revolution. Wir Linken in Österreich haben 1975 immer noch auf die Revolution gewartet. Aber sie ist nicht zu uns gekommen, diese faule Sau!"
Im legendären Jahr 1968 war der Kabarettist I Stangl erst zarte 14 Jahre alt und besuchte gerade den Firm-Unterricht. In seinem neuen Solo "Wir Helden - Born to be wild" riskiert Stangl einen Blick zurück auf jene Generation, die ohne Laptop, aber dafür in geschmackvollen Glockenhosen den Widerstand aus sicherer Distanz freundlich begleitet hat.
Als HC noch Heinz Conrads war
Sein Jahrgang, die 1954 Geborenen, dieser Jahrgang wurde von den 1970ern geprägt. Für 1968 ging es sich gerade nicht mehr aus. Das schmerzt und beflügelt zugleich. Denn jene Generation, die das Vierteltelefon noch kannte, für die "HC" Heinz Conrads war, und die noch ohne Sturzhelm Fahrrad fuhr, sie blickt auf die heutige Jugend, und vermisst die Ideale.
Gemeinsam mit Co-Autor Hannes Vogler hat I Stangl eine Geschichte des etwas verklärten Blicks auf die Kampfgenossenschaft von früher zusammengestellt. "Born to be wild" - der erste Hit der Band Steppenwolf - wurde als Teil des Programm-Titels gewählt. Im Großen und Ganzen eine augenzwinkernde Abrechnung mit der Generation X.
Pflanzen, die man nicht mal rauchen kann
In der Rolle des Veteranen aus der Generation "40 plus" erzählt Stangl den Ahnungslosen der Generation "40 minus", wie man einst Politik gemacht und Geschichte geschrieben hat: "Heute trinken alle das Szene-Einheitsgetränk Cafe Latte. Ein Getränk, das so ist, wie die, die es trinken: lauwarmer Lulu-Kaffee mit schaumiger Kinder-Milch."
Bevorzugte Getränke, Outfit und Kommunikationshilfen der "Bobos", der bourgeoisen bohemians, werden von I Stangl auf den Prüfstand gestellt. "Bobos sind Dauer-Adoleszente. Die wollen nicht erwachsen werden. Sie wissen, erwachsen ist man, wenn man zu Hause Pflanzen hat, aber keine davon kann man mehr rauchen."
Warten auf die Revolution
I Stangl lässt in "Born to be wild" aber nicht nur die Jugend von heute alt aussehen. Auch Menschen seiner Generation haben wenig Grund, sich entspannt zurückzulehnen. Sie finden Ihresgleichen in einem Trommelworkshop namens "Warten auf die Revolution" wieder, werden Teil einer Rückführung in eine Walpurgisnacht, bei der man retrospektiv vielleicht doch nicht unbedingt hätte dabei sein müssen, und sie werden mehrheitlich eher als Kaffeehaustisch-Täter denn als Aktionisten dargestellt: "Ich bin von 1975 bis 1982 täglich im Kaffeehaus gesessen, hab auf die Revolution gewartet und dabei 3.146 große Braune verputzt. Das war mein Beitrag zum Widerstand."
Alles in allem ist "Wir Helden - Born to be wild" ein heiterer Rundumschlag gegen zwei Modelle der Jugendkultur. Wobei I Stangl gelegentlich etwas dogmatisch zu Gange ist. Letztendlich überwiegt aber doch die Selbstironie, die dem Programm die nötige Leichtigkeit verleiht.
Fast zeitgleich zum neuen Bühnenprogramm hat Stangl mit seinem Ko-Autor Hannes Vogler ein Buch herausgebracht. Unter dem Titel: "Endlich Strache" zeichnen die beiden darin ihr Panorama der österreichischen Innenpolitik bis 2017.
Hör-Tipp
Contra, Sonntag, 25. Oktober 2009, 22:05 Uhr
Buch-Tipp
I Stangl und Hannes Vogler, "Endlich Strache", Ueberreuter-Verlag
Veranstaltungs-Tipp
Kabarett von I Stangl, "Wir Helden - Born to be wild", Montag, 26. Oktober 2009, Kabarett Niedermair in Wien; 29. bis 31. Oktober, Neue Bühne Villach; Ab 2. November wieder Kabarett Niedermair.