Wiens Frauengesundheitsprogramm
Frauengesundheit
Das Thema Frauengesundheit hat sich in den vergangenen Jahren auch im österreichischen Gesundheitswesen gut verankert. In immer mehr Programmen und Projekten werden weibliche Bedürfnisse in der gesundheitlichen Versorgung berücksichtigt.
8. April 2017, 21:58
Vor zehn Jahren wurde das Wiener Frauengesundheitsprogramm FEM gegründet. Ausgehend vom österreichischen Frauengesundheitsbericht Mitte der 1990er Jahre, wurden damit erstmals frauenspezifische Themen in den gesundheitspolitischen Mittelpunkt gerückt.
Meilensteine in dieser Dekade waren unter anderem die Gründung der beiden FEM-Frauengesundheitszentren und die Einrichtung einer Essstörungshotline. Seit diesen Anfängen hat sich darüber hinaus viel getan. So gibt es etwa Betreuungsstandards im Gesundheitswesen speziell für Frauen, Verbesserungen im Bereich der Krebsfrüherkennung, Hilfe bei nachgeburtlichen Depressionen und psychosoziale Versorgung von Frauen, aber auch Karriereförderung in Gesundheitsberufen und vieles mehr.
Mehrfachbelastung bleibt problematisch
Obwohl in den vergangenen Jahren ein Umdenken in Richtung "Gendermedizin" und damit auch Frauengesundheit stattgefunden hat, ist weiterhin viel zu tun. Denn es ist noch immer nicht in allen Gesundheitseinrichtungen Standard, auf frauenspezifische Symptomatik, Diagnostik und Therapie einzugehen.
Sogar wenn Frauen ihre Beschwerden selbst thematisieren, werden sie nach wie vor nicht immer ernst genommen. Ein zentrales Problem ist auch, dass viele Frauen Mehrfachbelastungen zu meistern haben. Daraus resultieren häufig psychische Überlastungserscheinungen, die sich in Essstörungen, Depressionen etc. manifestieren können. Auch Diabetes und Herzkreislauferkrankungen sind bei Frauen im Vormarsch.
Hormone und Stress machen Frauen krank
Internationale Studien belegen, dass doppelt so viele Frauen an psychosomatischen Erkrankungen leiden als Männer. 90 Prozent der von an Essstörungen betroffenen und 70 Prozent aller medikamentenabhängigen Menschen sind weiblich. Doch damit nicht genug: Weltweit leiden Frauen dreimal häufiger an Depressionen als Männer und auch bei Selbstmordversuchen liegt das weibliche Geschlecht voran.
All diese Leiden haben ihren Ursprung in der Psyche. Frauen sind meist mit ganz anderen Belastungen konfrontiert als Männer. Man denke nur an die Schwangerschaft, eine Geburt oder die Wechseljahre. Auch ein zu geringes Selbstwertgefühl, Schicksalsschläge oder belastende Lebensumstände sind mögliche Ursachen für eine Depression bei Frauen. Professionelle Hilfe in Form einer Psychotherapie ist hier unausweichlich.
Gefahr Herz-Kreislauferkrankungen
Obwohl die Problematik seit vielen Jahren bekannt ist, wird das Risiko von Herz-Kreislauferkrankungen bei Frauen immer noch unterschätzt. Dabei liegt die Sterblichkeitsrate durch kardiovaskuläre Erkrankungen bei Frauen inzwischen wesentlich höher als bei Männern.
Ebenso wirken sich Bluthochdruck und Diabetes bei Frauen wesentlich schlimmer aus. Bezüglich all dieser Erkrankungen ist es für Frauen wichtig zu wissen, dass es geschlechtsspezifische Unterschiede bei den Symptomen gibt.
So kann sich bei Frauen ein Herzinfarkt etwa durch Rückenschmerzen, Schmerzen im Hals- oder Schulterbereich, Übelkeit oder mit oder diffusen Beschwerden im Brust- und Bauchraum ankündigen. Die allgemeinen Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Übergewicht, Diabetes und Rauchen gelten für beide Geschlechter. Aber da weibliche Hormone die Blutgefäße bis zu den Wechseljahren schützen, steigt für ältere Frauen, also nach der Menopause, das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen stark an.
Armut macht krank - Krankheit macht arm
Arbeitslosigkeit, Armut, aber auch ein niedriges Bildungsniveau begünstigen bei Frauen körperliche Beschwerden, Stress und Depressionen. Eine psychische Erkrankung kann wiederum dazu führen, dass betroffene Frauen ihren Arbeitsplatz verlieren und der Weg sie in die Armut führt, was die Entstehung oder Aufrechterhaltung einer Depression begünstigt. Ein Teufelskreis also, den es zu durchbrechen gilt.
Das Wiener Programm für Frauengesundheit entwickelt deswegen seit Jahren spezielle Programme für Frauen ohne Wohnung, Arbeit. Außerdem für Frauen mit einer Behinderung und Migrantinnen. Sie gehören häufig zu den einkommensschwachen Gruppen und haben mit Sprachbarrieren zu kämpfen, was ihr Wohlbefinden beeinflusst.
Auch die Gründe für eine Migration, ob freiwillig oder erzwungen, spielt dabei eine große Rolle. Laut Österreichischem Migrations- und Integrationsbericht 2003 leiden Migrantinnen mehr unter negativen Stereotypen als männliche Einwanderer. So gelten sie entweder als Opfer, Exotin, rückständig oder islamistische Fundamentalistin.
Diskutieren Sie mit!
Wenn Sie Fragen zum Thema haben, dann rufen Sie während der Sendung unter der kostenlosen Telefonnummer 0800 22 6979 an, oder posten Sie hier.
- Ist es Ihnen wichtig nach frauenspezifischen Kriterien gesundheitlich versorgt zu werden?
- Haben Sie schon einmal ein Frauengesundheitsprogramm in Anspruch genommen?
- Haben Sie das Gefühl, dass bei der gesundheitlichen Betreuung auf Ihre speziellen weiblichen Bedürfnisse Rücksicht genommen wird?
- Haben Sie mit Mehrfachbelastungen zu kämpfen und befürchten Sie, dass sich das psychisch negativ auswirkt?
- Befürchten Sie als Frau einen Herzinfarkt zu bekommen?
- Ist Ihnen bewusst, dass mehr Frauen als Männer an Herz-Kreislauferkrankungen sterben?
Mehr dazu in der Online-Infomappe
Hör-Tipp
Radiodoktor, Montag, 2. November 2009, 14:20 Uhr