Musikproduzent ist Mitgestalter

"Take that take!"

Der Musikproduzent ist ein wesentlicher Mitgestalter einer Komposition, seine Bedeutung wird oft mit der eines Regisseurs beim Film verglichen. Ein Aufnahmeleiter erklärt, wie eine (klassische) CD entsteht.

Wir wollen Ihnen einen wichtigen Arbeitsbereich unserer Tonmeister/innen und Aufnahmeleiter/innen vorstellen: die CD-Produktion.

Im Bereich der Populärmusik werden "Aufnahmeleiter/innen" "Produzenten" genannt. Die Angabe "Produced by ..." findet man auf jeder CD. Der Produzent (sehr selten gibt's ja Produzentinnen) entscheidet letztlich über den klanglichen Gesamteindruck einer Idee. Er legt meist auch das Arrangement fest, bestimmt, mit wie vielen Musiker/innen und mit welchen Instrumenten in welcher Form eine Komposition realisiert wird. Der Musikproduzent ist also ein wesentlicher Mitgestalter einer Komposition, seine Bedeutung wird oft mit der eines Regisseurs beim Film verglichen.

Spezialist für Schnitt und Mastering

Wie umfassend, wie bestimmend ist die Tätigkeit im klassischen Bereich? Florian Rosensteiner ist seit mehr als zehn Jahren musikalischer Aufnahmeleiter beim ORF und ein Spezialist für Schnitt und Mastering bei CD-Produktionen. Seine (musikalische) Ausbildung: Wiener Sängerknabe, Musikgymnasium Linz, Dirigierstudium an der Musikhochschule Wien. Rosensteiner:

Unsere Aufgabe beginnt mit der Klärung wesentlicher organisatorischer Fragen: Probenkoordination, Aufnahmetermine oder die Auswahl des Aufnahmeortes. Wir haben dabei oftmals eine beratende Funktion, gibt es doch viele Fragen vorab zu klären: Soll die Aufnahme in Stereo oder Surround stattfinden? Wann soll die Aufnahme fertig sein? Ein Aufnahmeplan muss erstellt werden, und es muss abgeschätzt werden, in welcher Zeit die Aufnahme zu bewältigen ist, was nicht immer leicht zu beurteilen ist, da die benötigte Zeit zum einen vom Schwierigkeitsgrad der aufzunehmenden Stücke und zum anderen vom Können der Musiker/innen abhängt. Im Aufnahmeplan wird auch die Aufnahmereihenfolge festgelegt – große Besetzungen zuerst, damit keine Musiker/innen unnötig warten müssen.

Der Klang wird eingestellt
Am Beginn der ersten Aufnahmesession wird zunächst der Klang eingestellt. Gemeinsam mit dem Tonmeister bzw. der Tonmeisterin wird ein Klang gesucht, der für alle Beteiligten zufriedenstellend ist. Gerade hier müssen wir den Künstler/innen beratend zur Seite stehen. Die CD soll ja auch den klanglichen Erwartungen am CD-Markt entsprechen.

Eine CD-Aufnahme ist für Künstler/innen immer mit Spannung verbunden. Die CD soll ja in jeder Hinsicht sehr gut werden, auch wenn die Stücke technisch oder musikalisch schwierig zu spielen sind. Aufnahmeleiterin oder Aufnahmeleiter müssen versuchen, bereits im Vorfeld einer Aufnahme eine Atmosphäre des Vertrauens zu schaffen, eine Atmosphäre auch, in der konzentriertes Arbeiten möglich wird.


Auswahl guter Takes
Bei der Aufnahme selbst gibt es meist nicht genug Zeit für die Musiker/innen, alle Aufnahmen (Takes) selbst abzuhören und eine Auswahl der guten Takes für den Schnitt zu treffen. Diese Rolle übernehmen wir oder in manchen Fällen auch ein Vertrauter der Künstler/innen, diese können sich dadurch ganz auf das Spielen konzentrieren.

Die Aufnahmeleitertätigkeit ist der eines Dirigenten gar nicht unähnlich. Das trifft ganz besonders auf CD-Produktionen zu. Wir "leiten" die Aufnahme, indem wir anhand einer Partitur sozusagen die Texttreue zur Komposition überwachen. Das kann die richtige Intonation, das Tempo, die Dynamik, die rhythmische Exaktheit oder die musikalische Entwicklung eines Werkes betreffen. Wir korrigieren, lassen wiederholen, loben und motivieren die Musiker/innen, um ihnen für den Moment der Aufnahme ihre Höchstleistung zu entlocken.


Motivation in nüchternem Umfeld
Beim Konzert entsteht ja meist schon durch den Umstand, dass die Musiker/innen vor Publikum spielen, dieses besondere Knistern, die Spannung, die zu Höchstleistungen anspornt. Bei der Aufnahme hingegen ist das Gegenüber der Musizierenden ein leeres Studio mit ein paar Mikrofonen und einem Lautsprecher, aus dem noch dazu die kritische Stimme des Aufnahmeleiters kommt: ein ziemlich nüchternes Umfeld, in dem versucht werden soll, Musik, die durchaus emotionell sein kann oder soll, zu spielen.

Eine CD-Aufnahme ist für alle Beteiligten eine enorme Konzentrations- und Kraftanstrengung. Im Konzert gibt es für schwierige oder anstrengende Stellen, ähnlich wie bei Sportwettkämpfen, natürlich nur eine Chance, in die die gesamte Konzentration und Energie gelegt wird. Bei CD-Produktionen kann es aber durchaus vorkommen, dass die gleiche Stelle oftmals wiederholt werden muss, bis sie gut gelungen ist. Hier muss der, der die Aufnahme leitet, motivieren und auch einschätzen, inwieweit noch eine Steigerung möglich ist, oder ob man besser zur nächsten Stelle weitergehen soll.


Aufs Tempo achten
Bei Ermüdungserscheinungen muss auch manchmal der Aufnahmeplan geändert, eine zusätzliche Pause eingelegt oder mit weniger anstrengenden Passagen weitergemacht werden. Durch Ermüdung kann auch das Tempo langsamer werden. Besonders wenn Passagen oft wiederholt werden müssen, ist es daher für die Aufnahmeleiter wichtig, auf gleichbleibendes Tempo zu achten. Schließlich sollen beim Schnitt die Takes ja ein organisches Ganzes ergeben. Bereits bei der Aufnahme notieren wir die guten und weniger guten Takes und können schon einen vorläufigen Schnittplan erstellen. Je weniger Takes dabei verwendet werden, umso organischer und lebendiger bleibt meist das Stück.

Gerade bei CD-Produktionen müssen Aufnahmeleiter/innen die Partitur gut kennen. Manchmal ist es auch notwendig, bei unerfahrenen Ensembles die musikalische Interpretation in eine bestimmte Richtung zu lenken. Das erfordert von uns einerseits eine genaue Vorstellung von der Interpretation des Stückes, andererseits Fingerspitzengefühl, um den Musiker/innen nicht das Gefühl zu geben, dass man ihre Interpretation in eine bestimmte Richtung "drängen" will. Hier gibt es einen deutlichen Unterschied zu Dirigent/innen. Die würden einfach ihre Interpretation durchsetzen (mehr oder weniger freundlich – wie wir von berühmten Dirigent/innen wissen). Das darf der Aufnahmeleiter nicht. Wir sind sozusagen "Geburtshelfer/innen" der Kompositionen auf dem Weg zu den Hörer/innen.


Das Schneiden
Nach der Aufnahme werden die einzelnen Takes zu einem ganzen Stück zusammengeschnitten. Üblicherweise entscheiden die Aufnahmeleiter/innen, welche Takes verwendet werden. Dieses "Schneiden" ist ein sehr verantwortungsvoller Teil der CD-Produktion. Wir können dabei den musikalischen Verlauf und die Entwicklung des Stückes wesentlich beeinflussen.

Die Musiker/innen bekommen dann den Rohschnitt zu hören und können dann natürlich noch ihre Korrekturwünsche einarbeiten. Immer öfter werden Mehrspuraufnahmen gemacht, d. h. jedes Mikrofon ist im Schnittprogramm auf einer eigenen Spur sichtbar und kann separat bearbeitet werden. Im Gegensatz zu einer herkömmlichen fertigen Stereo- oder Surroundmischung lässt dieses Verfahren wesentlich mehr Möglichkeiten offen, auf die Balance und den Klang im Nachhinein Einfluss zu nehmen.


Klanglicher Feinschliff
Wenn die CD fertig geschnitten ist, wird noch ein ›Mastering‹ gemacht. Hier bekommt die Aufnahme noch den klanglichen Feinschliff, indem z.B. noch ein schöner Hall hinzugefügt wird oder störende Frequenzen mittels Filter entfernt werden. Beim Mastering passen wir auch die Lautstärke unterschiedlicher Stücke aneinander an. Anschließend wird ein "Premaster" für das Presswerk gemacht, in dem die CD für den Handel hergestellt wird.

Für die Plattenfirma und für die Grafiker/innen, die das Beiheft, das Booklet, gestalten, muss nun der Aufnahmeleiter noch die Aufnahmedaten, die Stücklängen und die genauen Stückbezeichnungen zur Verfügung stellen. Erst dann ist unsere Arbeit beendet.


PS: Diesen Herbst wurde eine CD mit dem RSO Wien fertig gestellt, auf der zum ersten Mal Kanons von Joseph Haydn zu hören sind. Weitere Beispiele von CDs mit dem ORF Radio-Symphonieorchester, die von ORF-Aufnahmeleiter/innen produziert wurden: Eine Hommage à Haydn mit dem Harfenisten Xavier De Mais­tre und Geigenkonzerte mit Patricia Kopatchinskaja sowie zeitgenössische Werke von Gerd Kühr, Gerald Resch und Otto M. Zykan.

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