Stete Neuerfindung
Miles Davis
Miles Davis ist eine Ikone der Kunst des 20. Jahrhunderts. Kaum ein anderer Künstler hat sich so oft und radikal neu erfunden und das Terrain neu definiert wie der enigmatische US-amerikanische Jazz-Trompeter.
10. Oktober 2017, 18:19
Viele Trompeter waren technisch besser, schneller, lauter. Miles' Virtuosität bestand in anderem: einen Ton zu setzen, wirklich nur einen, "klar und präzise wie Picasso einen Pinselstrich". Und ein komplexes musikalisches Geschehen nach seinem Konzept zu gestalten, es zum umfassenden Tableau zu formieren. Spät im Leben malte er auch.
Wahrscheinlich hat kein anderer Künstler sich so oft und radikal neu erfunden, so oft die Grenzen seines Mediums weiter gesteckt und das Terrain neu definiert: Miles Davis wurde zu einer Ikone der Kunst des 20. Jahrhunderts.
Mit dem Rücken zum Publikum
Miles war - er hat sich auch selbst dazu stilisiert - enigmatisch. Ein "Prince of Darkness", der keine Kompromisse einging, Kritiker beinahe aus Prinzip verachtete, mit dem Rücken zum Publikum spielte und alle paar Jahre völlig Neues, Unerhörtes präsentierte: die brodelnden Hexenkessel in seinen Fusion-Jahren, Anfang der 1970er; in den 1980ern Coverversionen von Popsongs wie Cindy Laupers "Time after Time" oder Michael Jacksons "Human Nature". Beide Male protestierten Jazz-Puristen und war ein anderes Publikum begeistert.
"Kind of Blue" wurde mit seiner souveränen Ruhe nicht nur das meistverkaufte Jazz-Album aller Zeiten, es gilt vielen Kritikern als Miles' bestes - oder gleich das Beste der Geschichte...
Frühe Bebop-Jahre
Davor: die frühen Bebop-Jahre an der Seite von Charlie Parker. Später: die glänzenden Orchesterwerke in Zusammenarbeit mit Gil Evans. Zwischendurch: die berühmtesten Quintett-Formationen der Geschichte, mit Partnern wie John Coltrane oder Bill Evans im ersten Fünfer-Team, im zweiten mit Wayne Shorter, Herbie Hancock, Ron Carter und Tony Williams (später auch Chick Corea und Dave Holland).
Eine eigene Erzählung könnte hier beginnen: "Die mit Miles spielten" - ein Who's Who des Jazz, All-Star-Bands mit den kreativsten Köpfen. Wie ein Regisseur die geeignetsten Schauspieler, so holte Davis sich die Besten für seine jeweils nächsten Inszenierungen.
Die Dinge, die er aufsog, transformierte er in seine Kunst. Viereinhalb Jahrzehnte lang entstand daraus immer wieder anderes; wo die meisten Musiker eine Ausdrucksweise für sich fanden, einen Stil prägten, klingt seine Trompete in immer neuen Facetten. Miles Davis' Musik, ein kubistisches Bild...?
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Hör-Tipp
Spielräume - Nachtausgabe, Freitag, 11. Dezember 2009, 22:30 Uhr