Der Fall Hypo aus der kroatischen Sicht

Zagreb atmet auf

Österreich ist für Kroatien in vielen Feldern des Lebens ein Vorbild. Nicht nur die Geschichte, sondern die Gegenwart ist durch wechselseitige Verflechtungen geprägt. Das hat auch Schattenseiten, wie im Fall der Hypo Alpe Adria Bank.

Jeden Morgen werden die Bürgerinnen und Bürger Kroatiens bei der täglichen Zeitungslektüre mit allen möglichen Affären konfrontiert. Mal geht es um korrupte Politiker, mal um Veruntreuung in den großen öffentlichen Firmen. Es gibt keinen Lebensbereich, der nicht von größeren oder kleineren Unregelmäßigkeiten betroffen wäre.

Es gibt (in erster Instanz verurteilte) Theaterdirektoren und Regisseure, die sich Geld über fingierte Hilfskräfte ausbezahlt haben sollen - Nikolai Wassiljewitsch Gogol und seine "toten Seelen" aus 1842 lassen grüßen. Die Bestechungsfälle auf Universitäten sind bekannt und der Gesundheitssektor und Sport blieben davon auch nicht verschont. Die große Wirtschaftskorruptionsaffären sind in ihrer Häufigkeit schon kaum mehr der Rede wert und immer werden sie mit der Politik in Verbindung gebracht.

Kriminalität als die Sorge Nr. 1
So überrascht es nicht, dass, nach einer Meinungsumfrage, die größte Sorge der Kroatinnen und Kroaten die Kriminalität in ihrem Land ist. Dabei geht es nicht um Taschendiebe, Gewalttaten aus Leidenschaft und Ähnlichem. Es geht um Korruption, die heutzutage alle Bereiche des Lebens durchdrungen hat. Die aufgedeckten Affären wechseln so schnell, dass durchschnittlich interessierte Beobachter leicht den Überblick verlieren können.

Der Fall der Hypo Alpe Adria Bank
Vor diesem Szenario hat in dieser Woche in Kroatien der Fall der Hypo Alpe Adria Bank die meiste Aufmerksamkeit für sich verbuchen können. Es gibt einen großen Unterschied zu den zuvor beschriebenen Fällen. Diesmal hoffen die kroatischen Bürgerinnen und Bürger, dass die anderen, in Österreich und Deutschland, die Verdachtsmomente unparteiisch unersuchen werden und dass die Verantwortlichen bestraft werden.

Niemand Geringerer als der ehemalige Prämierminister Kroatiens, Ivo Sanader, steht unter Verdacht, von der Hypo Alpe Adria Bank ungerechtfertigt etwa 400.000 Euro an Provisionsgeldern bekommen zu haben. Wenn die Untersuchungen durch politisch unabhängige Sonderkommissionen und Ermittlungsorgane hoch entwickelter demokratischer Staaten wie Österreich und Deutschland durchgeführt werden, so hofft man in Kroaten, dann werde es keine Möglichkeit geben, dass die Verantwortlichen wie sonst ohne Konsequenzen davonkommen.

"Zagreb atmet auf"

So lautete die Schlagzeile von Zagrebs bekanntester Tageszeitung, "Vecernji list" (Abendblatt), als die Verstaatlichung der Hypo Alpe Adria Bank bekannt geworden ist. Abgesehen von hochrangigen Beteiligten, wie dem schon erwähnten ehemaligen Premierminister, richten die Menschen ihren Blick auf die Zukunft der Hypo Bank in Kroatien.

Man ist nicht müde geworden klarzumachen, dass gerade der kroatische Zweig der Hypo schwarze Zahlen schreibt. Das "Morgenblatt" ("Jutarnji list") titelte seine Story mit "Die gestolperte Bank". Im Text ist zu lesen, dass die Verluste der Hypo die Folgen der tobsüchtigen Ausbreitung nach Süden und Osten Europas seien. Die Journalistin von "Jutarnji" schätzt, dass die Hypo Alpe Adria Bank in Kroatien einen neuen Besitzer bekommen könnte und das nicht, weil sie mit Problemen kämpfe, sondern gerade im Gegenteil: Weil die Geschäfte besser gingen, als im Stammhaus in Österreich, werde es leicht sein, Interessenten zu finden. Immerhin firmiere die Hypo Kroatien als unabhängige Firma und die Turbulenzen in Österreich hätten keinerlei Einflüsse auf das Bankensystem und den Finanzmarkt Kroatiens.

Vorwahlspiele
In der Zwischenzeit hat sich Ivo Sanader zu Wort gemeldet und vehement seine Beteiligung an angeblich dunklen Geschäfte der Hypo Alpe Adria Bank dementiert. Kroatien steht vor Präsidentschaftswahlen, die für 27. Dezember angesetzt sind und Sanader behauptet, dass die Vorwürfe Teil des gegnerischen Wahlkampfes seien. Man versuche, über ihn, Sanader, seine Partei, die HDZ und deren Kandidaten, Andrija Hebrang, zu diskriminieren.

Wie und mit wem weiter?
Wie auch immer, auf den nächsten Präsidenten wartet viel Arbeit. Die Bürgerinnen und Bürger Kroatiens hoffen, dass er endlich die Korruptionswelle bremsen, wenn nicht sogar stoppen kann und die schon aufgedeckten Fälle endlich vor Gericht kommen werden.

In den Meinungsumfragen erfreut sich die EU immer geringerer Zustimmung. Immer öfter wird die Frage gestellt, wie es möglich sei, dass Unregelmäßigkeiten wie im Zusammenhang mit der Hypo Alpe Adria gerade in jenen Staaten passieren konnten, die sich Kroatien zum Vorbild gemacht habe. Man spürt, dass nicht nur die lokalen Politikern und Machthaber für die schlechten Morgennachrichten in den kroatischen Medien verantwortlich sind.