Wachsende Kritik an der katholischen Kirche
"Hände falten, Goschn halten"
Katholische Laien werden innerhalb der Kirche initiativ und proben den Aufstand gegen die Lethargie der Amtskirche. Atheisten protestieren gegen zu viel Katholizismus in Österreich. Es entsteht Bewegung in der religiösen und gesellschaftspolitischen Szene.
8. April 2017, 21:58
Wie sehr ist die römisch-katholische Kirche in der Krise? Zwei Veranstaltungen im Herbst hatten das Ziel, die Kirche zu reformieren. Die eine ging von der Erzdiözese Wien aus: Im Oktober kam es zur ersten Diözesanversammlung in und rund um den Stephansdom. Über 1.000 Delegierte aus dem Großraum Wien diskutierten miteinander, um anstehende Reformen zu einem Abschluss zu bringen.
Anderseits versammelten sich im November Kirchenkritiker - oder besser: hierarchiekritische Christen - in einem Wiener Hotel, um ebenfalls Reformen zu fordern. Reformen, die tiefer gehen sollten und auch grundsätzliche Änderungen vatikanischer Vorschriften beinhalten sollten.
Aufregung um Holocaust-Leugner
Warum Krise? Dazu nur zwei Stichworte: Weihbischof in Linz und Bischof Williamson von der Piusbruderschaft. Beide Male regte sich Widerstand, österreich-, aber auch weltweit. Der designierte neue Weihbischof von Linz, Gerhard Maria Wagner, stieß auf große Kritik und sagte ab.
Und der Bischof der Piusbruderschaft, der in Argentinien lebende Engländer Richard Williamson, relativierte den Holocaust und erschwerte die Bestrebungen des Vatikan, die traditionalistischen, exkommunizierten Piusbrüder, die sogenannten Lefevbrianer, wieder in den Schoß der römisch-katholischen Kirche zurückzuholen. Empörung allerorten.
Beitragszahler gehen verloren
Nicht nur das: Der Kirche laufen die Gläubigen davon. In Wien ist nicht einmal mehr jeder zweite römisch-katholisch. Immer mehr Menschen treten aus. Dadurch gehen auch die Einnahmen durch den Kirchenbeitrag zurück. Wer zahlt die Pastoralassistenten, die Mitarbeiter der Caritas, die Renovierung von Kirchen, kurzum: das System? Also bemühte man sich unter der Initiative von Kardinal Christoph Schönborn um diese Diözesanversammlung.
Kirche war schon mal demokratischer
Ganz anders die Veranstaltung der sogenannten "Laieninitiative". Vier hierarchiekritische katholische Vereinigungen hielten im Wiener Hotel "Modul" eine Enquete über "Kirchenreform und Menschenrechte" ab. Es waren dies die "Laieninitiative", die "Pfarrerinitiative", "Priester ohne Amt" und die "Plattform wir sind Kirche".
Letztere ging aus dem Kirchenvolksbegehren aus dem Jahre 1995 hervor, als man Änderungen in der Kirche wollte, als die Kirche den mittlerweile sanft entschlafenen "Dialog für Österreich" ausrufen musste. Bei dieser Enquete wurde viel in der Vergangenheit gegraben und beispielsweise festgestellt, dass die Kirche schon einmal demokratischer war.
Menschenrechtswidrige Kirchengesetze
Debattiert wurde über die Frage, warum eigentlich Frauen nicht Priester werden dürften. Darüber, dass es bereits Papstwahlen gab, in denen - wie man es nannte - "privilegierte Laien" auch einiges mitzureden hatten. Auch darüber, dass "Priester", ein Wort, welches früher in einem ganz anderen Zusammenhang gebräuchlich war, heute eine Rolle spielen, die knapp nach der Zeit Jesu nicht so gedacht war.
Und schließlich wurde auch darüber debattiert, dass bestimmte kirchgesetzliche Bereiche gegen die Menschenrechte verstoßen würden. So würden das Recht auf freie Berufswahl und das Recht auf Ehe und Familie aneinander ausschließen, wenn jemand römisch-katholischer Priester werden will, da ja der Pflichtzölibat bestehe. Das sei - eben - menschenrechtswidrig.
Referiert haben bei dieser Enquete der Neutestamentler Walter Kirchschläger, der Kirchenhistoriker Maximilian Liebmann, der Jurist Heribert Franz Köck und der Pastoraltheologe Paul Weß.
Hör-Tipp
Imago, Samstag, 26. Dezember 2009, 0:05 Uhr