Haydns über hundert Symphonien
Best of Haydn
Unter den unzähligen Aufnahmen der Symphonien Haydns findet sich einfach alles: von monotoner Einfallslosigkeit bis zu verblüffender Dramatik und Spannung. Ein Interpretationsvergleich der bemerkenswertesten und überraschendsten Einspielungen.
8. April 2017, 21:58
4x Haydn im Vergleich
Wir begeben uns auf die Suche - nicht nach den besten, sondern nach den überraschendsten Aufnahmen der Symphonien Haydns: Die vielleicht erste Überraschung ist, dass zwar viele Haydn-CDs in diesem Haydnjahr 2009 erschienen sind, aber kaum welche der Symphonien. Vielleicht war den Dirigenten das Feld der Symphonien schon zu abgegrast und die Latte zu hoch gelegt von den schon lange vor dem Haydn-Jahr erschienenen Aufnahmen - zum Beispiel durch Christopher Hogwood und der Academy of Ancient Music oder dem Orchestra of the 18th Century, geleitet von Frans Brüggen oder der umwerfend spannenden Einspielung der Pariser Symphonien durch Nikolaus Harnoncourt und dem Concentus Musicus.
Letztere übrigens - trotz höchster Erwartungen - im Vergleich mit anderen Spitzenorchestern immer noch eine Spur spannender, aufregender, unorthodoxer, überraschender. Dabei macht Harnoncourt oft nicht mehr, als das was Haydn verlangt, nur viel deutlicher und markanter.
Von harmlos bis akzentuiert
Zum Beispiel: Joseph Haydns Symphonie Nr. 82 (Hob. I:82), "L'oures" (Der Bär). Hören Sie in unserem Audio Ausschnitte aus dem ersten Satz, Vivace assai. Klingt das zweite Thema bei Bruno Weil und dem Ensemble Tafelmusik grazil, fein beschwingt - aber auch etwas glatt und harmlos gegenüber Harnoncourts Interpretation, der hier eigentlich nur ausführt, was in der Partitur steht, aber eben sehr deutlich. Haydn fordert nämlich eine Betonung ("sfz") auf der unbetonten dritten Zählzeit, was Harnoncourt sehr viel akzentuierter realisiert, als alle anderen Aufnahmen (zu hören im zweiten Teil des Audios). Es sind diese Details, die dann in Summe aus Haydns Symphonien sehr viel spannendere und dramatischere Ereignisse werden lassen, als wir das oft gewohnt sind.
Die Großen enttäuschend
Unter den Neuaufnahmen enttäuschend war für uns jene der Berliner Philharmoniker unter dem viel bejubelten Simon Rattle (Nr. 88-92, EMI Classics). Glatt und ausdruckslos; nur wenig von dem durchtriebenen Witz Haydns ist hier hörbar. Demgegenüber ist die Aufnahme der "Pariser Symphonien" durch das Tonkünstlerorchester Niederösterreich mit seinem scheidenden Chefdirigenten Christian Järvi eine positive Überraschung (beim eigenen Label Tonkünstler live erschienen).
Nicht perfekt, auch stilistisch nicht immer überzeugend, aber mit deutlichem Bemühen, den "lieblich-harmlosen" Haydn und auch den romantischen Sound eines volltönenden modernen Orchesters zu vermeiden. Auch hierzu ein Beispiel, ein sehr heikles zudem: nämlich aus einem der langsamen Sätze (aus Haydns Symphonie Nr. 83, "Das Huhn") und hier zudem eine jener scheinbar harmlosen Überleitungspassagen, mit denen auch große Dirigenten wie Leonard Bernstein einfach nichts anzufangen wissen. Fast stumpfsinnig monoton klingt das New York Philharmonic hier durch die Betonung jeder Silbe (zu hören im dritten Teil des Audios). Das Tonkünstlerorchester NÖ gestaltet diese schwierige Sequenz deutlich feiner, musikalischer und interessanter (zu hören im vierten Teil des Audios).
Berühmt heißt nicht gut
Ebenso positiv überrascht wie die Tonkünstler haben andere kleinere, weniger bekannte Orchester mit ihren Haydn-Symphonien - wie etwa die Haydn Akademie unter der Leitung von Anton Gabmayer (Live-Aufnahmen aus dem Schloss Esterhazy, dementsprechend technisch nicht perfekt, aber musikalisch erfreulich) und vor allem die stilistisch vorzügliche Aufnahme des Schlierbacher Kammerorchesters unter seinem Dirigenten Thomas Fey (der bei Harnoncourt historische Aufführungspraxis studiert hat).
Hör-Tipp
Ausgewählt, Mittwoch, 30. Dezember 2009, 10:05 Uhr
CD-Tipps
Joseph Haydn, "Die Pariser Symphonien", Concentus Musicus Wien, Nikolaus Harnoncourt, Harmonia Mundi
Joseph Haydn, "Die Pariser Symphonien", Tonkünstler-Orchester Niederösterreich, Kristjan Järvi, Tonkünstler live
Joseph Haydn, Symphonien, Haydn Akademie, Anton Gabmayer, Surprise Records
Joseph Haydn, Symphonien, Schlierbacher Kammerorchester, Thomas Fey, Hänssler Classics
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