Blutige Abrechnung
Frankie Machine
Mit dem US-amerikanischen Autor Don Winslow ist dem Suhrkamp Verlag ein Glücksgriff gelungen. Elf Krimis gibt es von ihm, drei davon sind ins Deutsche übersetzt worden, der neueste ist "Frankie Machine", ein grandioser, spannender Mafia-Roman.
8. April 2017, 21:58
Auch der altehrwürdige Suhrkamp Verlag setzt inzwischen auf Kriminalliteratur. Nicht allzu oft aber haben die Damen und Herren, die ansonsten unter anderem Brecht und Bernhard; Hesse und Handke verlegen, in diesem Genre bislang den richtigen Ton getroffen. Mit dem US-amerikanischen Autor Don Winslow - laut biografischen Angaben ein ehemaliger Schauspieler, Regisseur, Theaterdirektor, Safariführer in Kenia und Privatdetektiv in New York City - ist ihnen hingegen ein regelrechter Glücksgriff gelungen.
Winslow hat bis heute elf Krimis geschrieben, drei davon sind ins Deutsche übersetzt worden, zwei sind lieferbar. Der eine heißt "Pacific Private" und ist der Auftakt einer Serie über den in Kalifornien surfenden Privatdetektiv Boone Daniels. Der andere, von dem hier die Rede sein soll, heißt "Frankie Machine", und der ist ein Krimi der allerersten Güte.
Mafia-Killer im Ruhestand
Frankie Machine heißt eigentlich Frank Macchianno, ein gut 60-jähriger Italoamerikaner, der in San Diego einen Angelladen, eine Wäscherei und eine Hausverwaltung betreibt. Ein angesehener und beliebter Bürger, der allerdings mehr schwarze Flecken in seiner Geschichte hat, als Platz auf einer Weste wäre.
Frank Macchianno war ein Mafia-Auftragskiller, seine Karriere hat in den 1960er Jahren begonnen, und seiner Kaltblütigkeit und Treffsicherheit wegen hat er damals auch den Spitznamen Frank Machine bekommen. Irgendwann, in den 1980er Jahren ist er aus dem kriminellen Geschäft ausgestiegen. Davor war er Soldat in Vietnam gewesen, Leibwächter der großen Bosse, Exekutor in Mafia-Fehden zwischen Kalifornien, Detroit und Chicago, Statthalter in Las Vegas, und auch dem US-Präsidenten Nixon hat er die Hand geschüttelt, als dieser für seinen Wahlkampf die Unterstützung der Mobster, also des organisierten Verbrechens in den USA, gebraucht hat.
Jetzt aber ist Ruhe in San Diego. Frankie ist ein angesehener Bürger, Vater einer gerade erwachsenen Tochter, Liebhaber einer Boutiquenbesitzerin und begeisterter Surfer. Ruhe bis, ja bis sich die alten Seilschaften zu Wort melden, und die wollen Frankie Machine nicht mit einem Mordauftrag zurück in die Familie holen, sie wollen ihn ein für alle Mal aus dem Weg räumen. Und von dieser blutigen Abrechnung, deren wahre Gründe Frankie bis knapp vor Schluss der Verfolgungsjagd nicht weiß, handelt Don Winslows Kriminalroman.
"Mickey Mouse"-Mafia in Kalifornien
Selten hat es in den letzten Jahren einen derart überzeugenden Krimi des "hard-boiled"-Genres gegeben. Da reiht sich eine filmreife Sequenz an die andere, da wird in wohlüberlegten Rückblenden die Geschichte der Hauptfigur und die des organisierten Verbrechens in den USA der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts reportiert.
Verglichen mit Chicago, Detroit und der Ostküste war in Kalifornien immer die "Mickey Mouse"-Mafia zu Hause gewesen, so steht es hier geschrieben, und so hat es auch der Urvater der "hard-boiled"-Krimis, Dashiell Hammett, bereits in den 1930er Jahren festgehalten.
Konkurrenz für die Politik
Wenn Don Winslow seinen eher wortkargen Helden einmal über die Mafia räsonieren lässt, dann ist schnell die Politik im Spiel:
Weißt du, warum die Regierung das organisierte Verbrechen abschaffen will? Weil wir die Konkurrenz sind. Die eigentliche Bande, die eigentlichen Kriminellen, das sind die großen Bosse in Regierung und Wirtschaft. Gehen zwei von denen pissen, auf die Senatstoilette, passiert schon ein Kapitalverbrechen.
Atmosphärisch dicht, gewalttätig und ganz sicher nicht jugendfrei ist Winslows Roman "Frankie Machine". Der Autor versteht es, die Spannung über 370 Seiten nicht nur zu halten, er baut sie auch immer weiter auf bis zum großen Showdown an der kalifornischen Küste.
Verfilmung geplant
Bei der Lektüre dieses Buchs denkt das passionierte Krimi-Publikum des Öfteren an Martin Scorseses unübertroffene Gangster-Dramen "Good Fellas" und "Casino". Und tatsächlich, so ergibt die Recherche im Internet, wird auch "Frankie Machine" verfilmt werden.
Robert de Niro, Hauptdarsteller sowohl in "Casino" als auch in "Good Fellas", wird den Frankie spielen. Regie führt allerdings nicht Scorsese, sondern Michael Mann, der in den 1990er Jahren auch schon den Klassiker "Heat" mit De Niro und Al Pacino gedreht hat. Ein Kinostart ist noch in diesem Jahr vorgesehen.
Fazit: "Frankie Machine", das ist ein grandioser Krimi und Mafia-Roman, und sollte die Verfilmung auch nur annähernd an die Romanvorlage herankommen, dann steht uns auch auf der Kinoleinwand etwas Außergewöhnliches in diesem Jahr bevor.
Hör-Tipp
Ex libris, Sonntag, 10. Jänner 2010, 18:15 Uhr
Mehr dazu in oe1.ORF.at
Buch-Tipp
Don Winslow, "Frankie Machine", aus dem Amerikanischen übersetzt von Chris Hirte, Suhrkamp Verlag
Link
Suhrkamp - Don Winslow