Mütterliche Freundin und Lehrerin
Elvira de Hidalgo
Elvira de Hidalgo formte aus einem dicklichen, kurzsichtigen Mädchen Maria Kalogeropoulos die Prima Donna Assoluta des 20. Jahrhunderts: Maria Callas. Am Donnerstag jährt sich zum 30. Mal der Todestag der Koloratursängerin und Callas-Lehrerin.
8. April 2017, 21:58
Maria Callas singt den Bolero aus "I Vespri siciliani"
Am 21. Jänner 2010 jährt sich zum 30. Mal der Todestag der spanischen Koloratursängerin Elvira de Hidalgo, die im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts international sehr erfolgreich gewesen ist. Trotzdem wäre sie längst vergessen, überschattet vom Ruhm vielleicht noch glänzenderer Namen, hätte sie nicht nach Ende ihrer aktiven Sängerkarriere noch eine zweite als Gesangspädagogin begonnen, und da gelang ihr tatsächlich ein ganz großer Wurf: aus einem dicklichen, kurzsichtigen 15-jährigen Mädchen namens Maria Kalogeropoulos formte sie eine ernsthafte Künstlerin, die schließlich unter dem Namen Maria Callas und unter den Fittichen von Maestro Tullio Serafin die höchsten Höhen der Opernkunst erreicht hat. Aber damit nicht genug, wurde sie von den einschlägigen Medien auch noch zur größten Operndiva aller Zeiten hochstilisiert.
Belcanto - Grundlage allen Singens
"Ich hatte das Glück, sehr jung anzufangen", zitiert Stelios Galatopoulos Maria Callas in seiner Biografie der "Prima Donna Assoluta", "und, vor allem, eine Lehrerin wie Elvira de Hidalgo zu finden, vielleicht die letzte, bei der man noch die richtige Stimmausbildung, die große Ausbildung im Belcanto erhalten konnte. Ich will damit sagen, ich lernte bei ihr die Geheimnisse, die Methode des Belcanto. Dieser Begriff bedeutet wörtlich, aber völlig irreführend 'schöner Gesang'. Die Methode verlangt eine unglaubliche Atemkontrolle, eine klare Linie und die Fähigkeit, zusammen mit der Verzierung einen reinen Klangfluss zu erzeugen."
Spanisches Wunderkind
Elvira de Hidalgo wurde am 27. Dezember 1888 in Valderrobles bei Teruel in der Provinz Aragón, in Spanien, geboren und hat eigentlich Elvira Juana Rodriguez Raglán geheißen. Sie ist bereits als klavierspielendes Wunderkind aufgefallen, hat dann aber ihre Stimme ausbilden lassen und zwar zunächst in Barcelona und danach bei einem berühmten Landsmann in Mailand. Sein Name lautete Melchiorre Vidal, ein Tenor, Jahrgang 1837, und wie sie selbst bestätigt hat, verdankte sie vor allem ihm das gesangstechnische Rüstzeug, die Grundlagen des Belcanto, die sie später auch an Maria Callas und unzählige andere Schülerinnen und Schüler weitergeben konnte.
Das war zunächst am Konservatorium von Athen, wo die Hidalgo eine Professur angenommen hat, und wohin es damals auch Maria Callas zusammen mit ihrer Mutter und ihrer Schwester verschlagen hat. Denn geboren wurde die Callas bekanntlich ja in New York, aber zu dieser Zeit plante die griechisch-stämmige Familie eben die Rückkehr in die alte Heimat. Die fast krankhaft ehrgeizige Mutter ließ die 13-jährige Tochter gleich überall vorsingen, und so begann Maria ihre Studien zuerst bei Maria Trivella, wechselte nach zwei Jahren aber zu Elvira de Hidalgo, die sie zunächst als Schülerin gar nicht aufnehmen wollte, wirkte sie doch ziemlich plump, linkisch und gehemmt.
Drama und Emotion
"Dass dieses Mädchen sich ausgerechnet wünschte, Sängerin zu werden, war einfach lächerlich", erinnerte sich später Elvira de Hidalgo: "Sie war groß, sehr fett und trug eine dicke Brille." Doch dann begann Maria zu singen - eine der schwierigsten Sopranarien der gesamten Opernliteratur, die "Ozeanarie" aus Carl Maria von Webers "Oberon", und plötzlich hörte die Hidalgo "heftige Kaskaden von Klängen, die zwar noch nicht vollständig kontrolliert, aber voller Drama und Emotion waren. Ich lauschte mit geschlossenen Augen und stellte mir vor, welche Freude es sein müsste, mit solchem Material zu arbeiten und es bis zur Perfektion zu formen."
Leichte Koloratur
Elvira de Hidalgo war fest entschlossen, aus diesem jungen Mädchen eine Künstlerin zu formen, die weit über ihre eigenen Grenzen hinausgehen sollte. Denn obwohl sie bereits als 20-jährige am Teatro San Carlo von Neapel debütierte hatte und im gleichen Jahr 1908 auch ihre ersten Schallplatten erschienen, kam sie über das leichtere Koloraturfach kaum hinaus.
Mit ihrer Debütpartie, der Rosina in Rossinis "Barbier", hatte sie zwar zwischen Scala, MET, Teatro Colon sowie in vielen anderen Theatern große Erfolge, ebenso als Gilda, Lucia, Linda und Lakmé, doch damit war die künstlerische Grenze auch schon erreicht. Bald nach ihrem 40. Geburtstag begann sie bereits mit ihrem Rückzug von der Bühne und wendete sich mehr und mehr der Lehrtätigkeit zu.
Die türkische Diva
Dabei gelang ihr nach der Callas noch ein zweiter Coup, und zwar nach dem Krieg, im Rahmen ihrer Tätigkeit am Konservatorium von Ankara. Dort zählte nämlich Leyla Gencer zu ihren Schülerinnen, die große türkische Diva, die insbesondere in Italien und als Donizetti-Interpretin viele Jahre äußerst erfolgreich gewesen ist. "Callas für die Armen" hat man die Gencer manchmal respekt- und geschmacklos genannt, und auch die einst so mächtige Schallplattenindustrie hat sie während ihrer gesamten Karriere mehr oder weniger ignoriert.
Inzwischen hat die Zeit die Balance wieder etwas in Ordnung gebracht. Während die Plattenindustrie sich mehr oder weniger selbst zerstört hat, belegen heute unzählige Livemitschnitte die wahre Bedeutung von Leyla Gencer, der neben der Callas durchaus auch ein Platz im "Belcanto-Himmel" zusteht.
Tod in Mailand
Elvira de Hidalgo hat ab 1959 in Mailand gelebt, wo sie vor 30 Jahren, am 21. Jänner 1980, auch gestorben ist. Bis zum Tod von Maria Callas blieb sie deren mütterliche Freundin, ja die Callas hat sogar noch im letzten Abschnitt ihrer Gesangsbemühungen versucht, mit ihrer Hilfe wieder an ihre einstigen Erfolge anknüpfen zu können. Eine Hoffnung, die sich leider nicht erfüllt hat.
Hör-Tipp
Apropos Oper, Dienstag, 19. Jänner 2010, 15:05 Uhr