Was ist zu lernen und zu wissen?

Von der Kraut- zur Bildungssuppe

Ende Oktober 2009 resultierte die jahrelange Unzufriedenheit der in Österreich Studierenden mit der Besetzung zentraler Hörsäle. Der Wissenschaftsminister Johannes Hahn konterte mit dem "Bildungs- und Hochschuldialog". Reden beide Seiten aneinander vorbei?

"Dialog im Dunkeln" - so heißt eine Ausstellung, in der den Sehenden die Welt der Blinden gezeigt wird. Von ägyptischer Finsternis umhüllt, die Augen durch allerlei Tricks der Gewöhnungsmöglichkeit an das Dunkel beraubt, tapsen, tasten und torkeln die sonst so sehenden Besucher durch alltägliche Situationen, und erleben diese vollkommen anders als gewohnt. Da müssen erst blinde Führer her, die sie in der Ausstellung "über die Straße führen", "in die Küche begleiten", für sie "im Wirtshaus bezahlen". Die Lehre daraus: Sehende und Blinde bewohnen ein und dieselbe Welt, nehmen sie aber unterschiedlich wahr. Letztlich müssen sie einander an der Hand halten, um durchzukommen.

Was das mit dem "Bildungs- und Hochschuldialog" des vormaligen Wissenschaftsministers Johannes Hahn zu tun hat, der im November 2009 begonnen hat? Dort wimmelte es schon vom ersten Tag an nur so vor Sehenden und Wissenden. Keiner, der sich als in der Sache blind verstanden hätte. Vom Rektor bis zum Audimax-Besetzer bevölkert so manche Spezies die Hohen Schulen - damit indes schon genug mit den Gemeinsamkeiten. Wenn die Rektoren von fairen Studienbedingungen an ihren Wunsch-Unis sprechen, die sich ihre Studenten selbst aussuchen sollen, meinen sie damit etwas anders als die "Audimaxisten", für die Fairness an der Uni darin besteht, dass ein Kollektiv nicht nur "Bildung für alle" fordert, sondern übereinkommt, dass Sexismus, Kapitalismus und Faschismus böse sind. Naiv?

Nun, nicht nur Wahrnehmungen sind unterschiedlich, auch Wahrheiten haben ihre Halbwertszeit. Und ehe sich die Älteren voreilig darin gefallen, feixend auf den in ein paar Jahren unweigerlich an der harten Realität einsetzenden Reifungsprozess der weltverbessernden Audimax-Kinder hinzuweisen, seien sie, die Abgeklärten, daran erinnert, dass auch jede Zeit andere Antworten auf die Frage gibt, was zu lernen und zu wissen ist, und was Eliten können sollen . Hier kocht jede Generation ihr eigenes Süppchen, und - um bei diesem Bild zu bleiben - sind auch die (qualitativen) Zugangsregelungen und das dreigliedrige Bologna-System mit seinem Bachelor, Master und PhD die harten Einlagen der gegenwärtigen Bildungssuppe. Auslöffeln wird sie allerdings nicht die neue Wissenschaftsministerin Beatrix Karl alleine müssen, sondern sie wird auch den Audimax- Krautsuppenveteraninnen und -veteranen zur Speise werden - so wie allen anderen, die zur Zeit an Österreichs Unis studieren ...

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