Vom Familienleben
Steinböcks Bonanza
Die ganz normale Familie oder die Cartwrights: fünf Männer unter einem Dach. Herbert Steinböck spielt sie alle, die Guten, die Bösen und den ganzenn Rest. Er entführt auf die Ponderosa-Ranch und erzählt all das, was uns die Erfolgsserie verheimlichte.
8. April 2017, 21:58
Auszeit vom Ehewahnsinn
"Wenn man die Cartwrights anschaut, die treiben entweder Viecher von A nach B oder - und das kommt auch mehrfach in meinem Kabarettprogramm vor - sie reparieren die Zäune der Westweide. Ich glaube, das findet in jeder Sendung statt, das Reparieren der Zäune der Westweide, die müssen sehr marode sein", sagt Herbert Steinböck über seine Lieblingsfernsehserie aus den 1960er Jahren.
Einfach unkompliziert
Erinnern Sie sich noch an die Cartwrights? Eine Männergesellschaft bestehend aus vier Western-Helden und einem chinesischen Koch. Die Ponderosa war ihr Zuhause. Die Ranch hatten die Drehbuchautoren der US-Fernsehserie "Bonanza" in Nevada, am Lake Tahoe, angesiedelt. Herbert Steinböck lieh sich für sein neues Solo den Titel dieser TV-Produktion aus den 1960er Jahren.
"Bonanza - eine Irritation" ist die Geschichte eines Mannes, der sich ganz gerne in die übersichtliche Welt von Little Joe, Hoss, Adam und Ben Cartwright flüchtet - vor allem dann, wenn das Leben in der eigenen Kleinfamilie ungemütlich zu werden droht. Herbert Steinböck hat diesen kabarettistischen Ausflug in die vielschichtige Beziehungsstruktur zwischen Männer und Frauen unternommen und auf die Bühne gebracht.
Wer erschießt schon meine Frau?
Mit dieser Frage wendet sich Herbert Steinböck an sein Publikum. Immerhin hat er die Neuigkeit, dass er ab sofort alleinerziehender Vater des pubertierenden Marco ist, soeben auf der Bühne erfahren - während er die "Bonanza"-Folge 243 vortrug. Das ist wahrlich ungewöhnlich.
Die Nachricht vom plötzlichen und gewaltsam herbeigeführten Tod seiner Frau veranlasst Herbert Steinböcks Protagonisten zu einer Abrechnung mit seinem Beziehungsalltag und allem, was dazu gehört. In kurzen, szenischen Rückblenden stellt er die besten Freundinnen seiner mittlerweile Ex-Gemahlin vor: Bernadette die Haarstylistin, Eva die Emanze und Geli, die Frau mit wechselnden Geschlechtspartnern. Er dreht die Zeit zurück an jenen Tag, als er seine spätere Frau in der Disco kennenlernte - bei einem Getränk bestehend aus Cola und Rotwein: auch Bonanza genannt. Er erzählt vom Zusammenziehen, von der Geburt des gemeinsamen Sohnes und von den Freuden junger Eltern.
"Ich wollte über die Familie schreiben und wie schwierig es ist, Mann und Frau zusammenzuhalten und Familie zu sein", so Steinböck. "In meiner Geschichte hat ja alles schön begonnen, die beiden waren so glücklich und dann funktioniert die Beziehung trotzdem nicht. Ich wollte auch zeigen, wie missverständlich die Welt sein kann. Und die 'Bonanza'-Welt hat mir schon als Kind gefallen: eine glückliche Welt, wo es nur Männer gibt, die auch noch Gutes tun und wo es nie Bröseln gibt. Alles geht gut aus, blöder geht es ja nicht. Das wollte ich unserem Familienmodell gegenüberstellen, wo man schon daran scheitern kann, wer jetzt den Müll hinunter trägt."
Krimi zwischen Gut und Böse
Waren bei den Cartwrights die Bösewichte rasch identifiziert, so sind es bei Steinböcks Bühnenfigur die Beziehungsprobleme. Dabei hatte alles so vielversprechend begonnen - zwischen dem Securitas-Wachebeamten und seiner Flamme aus der Disco. Doch die alltagsbedingten Abnützungserscheinungen bleiben selbst Fredi, dem Trauzeugen, nicht verborgen.
Parallel zu den Rückblenden aus dem erweiterten Familienleben flicht Herbert Steinböck in seine Geschichte auch geschickt Elemente eines Krimis. Zu diesem Zweck verlegt er einige Szenen auf das Polizeirevier und lässt sein Publikum Zeuge der Vernehmungen werden. Vom Schwiegervater über die Freundinnen bis hin zu Sohn Marco - sie alle müssen sich zum Tathergang und ihren diesbezüglichen Überlegungen äußern. Und keiner will es gewesen sein - fast wie im richtigen Kriminalroman.
Bühnenwirklichkeit und Realität
Hat Herbert Steinböck in seinem ersten Solo namens "Bananensplitter" auf seine Weise eine überstandenen Krebserkrankung thematisiert, so lag es nahe, dass auch sein zweites Programm über das Scheitern einer Liebesbeziehung biografische Wurzeln haben könnte. Nicht zuletzt deswegen, weil der Kabarettist auch im realen Leben von seiner Frau getrennt lebt.
"Familie war für mich ein ganz heißes Thema für die Bühne", sagt er. "Zu dem Zeitpunkt deutete von meiner privaten Situation nichts in diese Richtung, mich hat die private Situation parallel zu meinem Programm eingeholt. Meine Frau und ich sind seit kurzem geschieden, gehen eigene Wege und lustigerweise geht es jetzt auch in meinem Programm um das Thema Familie. Weil ich das Programm nicht geschrieben habe, um einen Schmerz abzuarbeiten, gibt es keine Überschneidungen zwischen meinem Privatleben und der Bühnenfigur und das ist auch gut so", sagt Herbert Steinböck über Realität und Bühnenwirklichkeit.
Während sein Protagonist und dessen Frau immer deutlicher die Gegensätze anstelle der Gemeinsamkeiten in den Vordergrund rücken, bietet die Lektüre der "Bonanza"-Hefte eine willkommene Flucht aus dem Alltag. Auch im Urlaub und vor allem am Tag der Trennung.
Männerbund oder Kleinfamilie
Herbert Steinböck bringt auf vielfältige und sehr unterhaltsame Weise die Zentrifugalkraft negativer Beziehungsenergie auf die Bühne. Problemlos schlüpft er von einer Rolle in die nächste und legt seinen kabarettistischen Familienkrimi wie eine aus rasch geschnittenen Bildern bestehende, filmische Rückblende an.
Werner Sobotka hat für "Bonanza - eine Irritation" die Regiearbeit geleistet. Die Frage unserer Beziehungsfähigkeit ist ein Thema, dem wohl jeder etwas abgewinnen kann. Dennoch hat Herbert Steinböck der Stärke seines gewählten Leitmotivs nicht vollends vertraut und seine Figuren teilweise unnötig laut und klischeebehaftet angelegt. Die vulgären Ausbrüche des Ehemanns stehen daher auch nicht immer in Relation zu der im Stück verwendeten Sprachtemperatur. Und auch die Freundinnen der Ermordeten fallen gelegentlich der Karikatur ihrer eigenen Figuren zum Opfer.
Ob die Männergesellschaft in "Bonanza" besser fährt als die Kleinfamilie im 21. Jahrhundert, diese Entscheidung überlässt der Kabarettist dann doch seinem Publikum. Eine sehr gelungene wie überraschende Wendung in der Handlung hat Herbert Steinböck für das Ende seines Programms eingeplant. Und diese Überraschung entschädigt dann doch für manche Irritation.
Service
Herbert Steinböck, "Bonanza - eine Irritation", 4. März 2010, Linzer Posthof, 5. März 2010, Bühne im Hof in St. Pölten, ab 8. März 2010, Wiener Kulisse,
Ö1 Club-Mitglieder bekommen ermäßigten Eintritt.
Herbert Steinböck
Posthof
Bühne im Hof
Kulisse
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