Konkretisierung von Vorstellungen in einem Kontext
HoG architektur
Bereits zum achten Mal präsentiert das Architekturfestival Turn On im März einen Überblick der österreichischen Architekturszene. oe1.ORF.at hat die Vortragenden via E-Mail-Interview zu Innovationen und Trendwenden im privaten und öffentlichen Bauwesen befragt.
8. April 2017, 21:58
Das junge Team HoG architektur (Hope of Glory) präsentiert bei Turn On die Erweiterung des Schlossmuseums in Linz, bei der einmal mehr die brisante Thematik Alt und Neu im Sinne von zwei dialektischen Zeitschichten interpretiert wird. Schloss und Schlossberg bilden einen markanten Ort am Rand der Altstadt, topographisch betont und mit schönem Blick auf die Donau. Das Schloss ist als einfacher, mächtiger, in sich ruhender Baukörper weithin sichtbar, allein stadtseitig fehlte nach einem Brand im Jahr 1800 der Südflügel.
Die Erweiterung des Schlosses, das neben einigen Platzgestaltungen in der Steiermark das erste realisierte Bauwerk des Büros darstellt, bezieht sich auf diese Leerstelle. Auch dabei handelt es sich um eine Architektur des Einfühlens und Fortführens, zumindest, was die Seite zur Altstadt hin betrifft. Denn hier wurde ein einfacher horizontaler Baukörper über der historischen Festungsmauer ergänzt. Die Brisanz des Projektes liegt in seiner Relevanz für die Stadt: Es gibt den Blick frei und kann von weitem gesehen werden. Zugleich ist der Innenhof als öffentlicher Raum neu gestaltet und aufgewertet.
oe1.ORF.at: Die Weltwirtschaftskrise hat zu einer Neubewertung von Bauvorhaben in Boom-Ländern geführt: Sehen Sie Anzeichen, dass die Gigantomanie (Stichwort Burj Dubai) von einer neuen Bescheidenheit abgelöst wird?
HoG architektur: Nein, denn Bescheidenheit wäre ein bewusster Verzicht; in Dubai ist einfach nur vorrübergehend das Geld ausgegangen. Den Ehrgeiz, möglichst groß, hoch und spektakulär zu bauen, gibt es jedenfalls seit babylonischen Zeiten, aber diese Gigantomanie hat mit dem gewöhnlichen Architekturschaffen nichts zu tun .Diese Bauten haben zwar ein großes Medienecho aber wenig gesellschaftliche Relevanz.
Welche österreichischen architektonischen Innovationen der ersten zehn Jahre des 21. Jahrhunderts haben für Sie das Potenzial, im neuen Jahrzehnt einen internationalen Trend setzen zu können?
Am ehesten dort, wo es gelingt, hohe Energiestandards mit ebenso hoher architektonischer Qualität umzusetzen.
Dome, Regierungsgebäude, Museen und Sportstadien gelten als Wahrzeichen von Machteliten - welche architektonischen Symbole sind für Sie wichtig?
Für uns sind nicht Symbole wichtig, sondern die Konkretisierung von Vorstellungen in einem Kontext.
Welche städtebaulichen Maßnahmen müssen Ihrer Ansicht nach in Wien bis 2020 getroffen werden, um ein nachhaltiges Wachsen der Stadt zu gewährleisten?
Wien gilt als Inbegriff europäischer Stadttradition - dieses Wertesystem sollte auch weitere Wachstumsprozesse überstehen. Dazu muss die räumliche Gesamtstruktur im Einklang mit dem wirtschaftlichen und sozialen Bereich weiterentwickelt und nicht monofunktionalen Entwicklungsschüben geopfert werden.
Ergeben sich aus der zunehmenden Vermischung privater und beruflicher Nutzung von Wohnräumen neue gestalterische Anforderungen?
Die Technologie ermöglicht heute, bis zu einem gewissen Grad ortsunabhängig zu arbeiten; der Zugang zum Internet definiert das Arbeitsumfeld, weniger die gebaute Infrastruktur. Andrerseits kann die technische Unabhängigkeit auch zur totalen Immobilität führen, wenn jemand am selben Ort wohnt und arbeitet. Dies stellt sehr wohl hohe Ansprüche an die Qualität dieses Umfelds.
Welche Chancen und Risiken entstehen aus dem Spannungsfeld "Privatsphäre versus staatliche Überwachung" bei der Planung öffentlicher Räume?
Staatliche Überwachung ist nach unserer Ansicht die schlechteste Antwort auf Sicherheitsprobleme im öffentlichen Raum. Zivile Sicherheit entsteht im öffentlichen Raum durch Belebtheit und Frequenz - dafür kann unter anderem gute Planung sorgen.
2009 gab es an zahlreichen tertiären Bildungseinrichtungen Proteste gegen den Bologna-Prozess. Welche Ansprüche stellen Sie an ein zeitgemäßes Architekturstudium?
Unabhängig von Bologna: ein hohes Maß an gesellschaftpolitischer Bildung und die Fähigkeit, quer zu denken. Gerade diese ist angesichts einer umfassenden Standardisierung und Normierung besonders wichtig.
Sie sind heuer bei Turn On 2010 mit dem Projekt "Erweiterung Schlossmuseum, Linz" vertreten: Welche digitalen Kommunikationsinstrumente waren in der Planung und welche in der Umsetzung wichtig?
Veranstaltungs-Tipps
8. Architekturfestival Turn on, Samstag, 6. März 2010, 13.00 bis 22.00 Uhr, ORF Radiokulturhaus - KulturCafé und Großer Sendesaal, Eintritt: frei
Mehr dazu in radiokulturhaus.ORF.at
Turn On Partner, Freitag, 5. März 2010, TU Wien, Kuppelsaal im Hauptgebäude, 13:30 Uhr bis 19:00 Uhr, Eintritt frei
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