Viele Mädchen erhalten keine Bildung

Mühevoller Schulalltag in Afghanistan

Nach drei Jahrzehnten Krieg ist der Aufbau eines funktionierenden Schulsystems in Afghanistan eine große Herausforderung. Es mangelt an Lehrern, an Infrastruktur und vor allem an Sicherheit. Nur etwa die Hälfte aller Kinder geht zur Schule.

"Ich möchte die Schule abschließen."

Die 12-jährige Rubaba möchte Ingenieurin werden, ihre Klassenkollegin Masuma Ärztin. Beide Mädchen sind fest entschlossen, ihr Ziel zu erreichen. Sie wissen, dass sie privilegiert sind und sie wollen ihre Chance nutzen.

"Meine Familie möchte, dass ich eine ordentliche Ausbildung bekomme. Nicht alle Mädchen haben so ein Glück. Viele Mädchen in diesem Viertel hier gehen nicht zur Schule, weil die Eltern es nicht wollen oder weil die Familien einfach zu arm sind", erzählt Rubaba. Sie lebt in Dasht-e-Barchi, einem westlichen Vorort von Kabul. Der Vater und - in Teilzeit neben der Schule - auch die Brüder weben Teppiche und verdienen damit ein paar tausend Afghanis im Monat. Die Mutter, die selbst nie eine Schule besuchte, führt den Haushalt.

Studien belegen Bildungsinteresse

Die Mehrheit der Afghanen ist sich der Bedeutung einer guten Schulbildung bewusst, und die meisten Eltern wären daran interessiert, ihre Kinder - Mädchen ebenso wie Burschen - in die Schule zu schicken: Das belegen eine Reihe von Studien aus den vergangenen Jahren, wie jene der in Kabul ansässigen, unabhängigen Forschungsinstitution Afghan Research and Evaluation Unit (AREU), die untersuchte, welche Faktoren Eltern dazu bewegen, ihre Kinder einzuschulen - oder die Kinder von klein auf als Arbeitskräfte einzusetzen.

Nach Angaben von UNICEF, der UNO-Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur, müssen ein Viertel aller afghanischen Kinder im Alter zwischen sieben und 14 Jahren einer Arbeit nachgehen. Armut und Arbeitslosigkeit sind hoch. Der Weltbank zufolge lebten im Jahr 2008 42 Prozent der Afghanen unter der Armutsgrenze, die Arbeitslosigkeit wird des Öfteren mit 40 Prozent angegeben.

Dennoch ist die Zahl der Einschulungen seit dem Sturz des Taliban-Regimes im Herbst 2001 stark angestiegen. Weniger als eine Million afghanische Kinder besuchten 2001 eine Schule, 2008 waren es bereits mehr als sechs Millionen, also rund die Hälfte aller Kinder in Afghanistan. Und jährlich sollen Hunderttausende dazu kommen. Doch der Aufbau eines funktionierenden, landesweiten Schulsystems braucht Zeit.

In den militärischen Konflikten der vergangenen 30 Jahre wurden auch rund zwei Drittel aller Schulen zerstört oder schwer beschädigt. Die Errichtung und die adäquate Ausstattung neuer Schulen konnten mit der seit 2002 rasch steigenden Zahl von Schülern nicht mithalten. Ebenso wenig war es möglich, in kurzer Zeit genügend Lehrpersonal auszubilden. Unterricht in Zelten, ein Mangel an Tafeln und Büchern - und Lehrkräfte, die selbst nur wenige Jahre die Schule besucht haben: Das ist bis heute der Schulalltag in den meisten Regionen von Afghanistan.

Diskriminierung, Armut und Sicherheit

Bis heute ist auch die Zahl der Burschen, die eingeschult werden, höher als die der Mädchen. Dabei ist neben der Diskriminierung von Mädchen und der Armut auch die schlechte Sicherheitslage ein wesentlicher Faktor. Die UNO und andere Organisationen haben seit 2004 hunderte Angriffe auf Schulen und andere Bildungseinrichtungen, auf Lehrkräfte und oder Schüler und Schülerinnen dokumentiert.

Allein seit 2008 sollen mehrere hundert Schüler, Schülerinnen und Lehrkräfte getötet oder verletzt worden sein. Mädchenschulen werden häufiger Ziel von Anschlägen als andere Schulen. In den südlichen Provinzen, in denen US- und NATO-Truppen gegen die Taliban kämpfen, bleiben viele Schulen aus Sicherheitsgründen überhaupt geschlossen