Bewegung mit und ohne Motor
Auswintern
Nach einem langen Winter werden alte Autos und Fahrräder wieder in Betrieb genommen: Auch Rainer Rosenberg startet wieder seine Ginetta und trifft einen Fahrradsammler sowie einen Journalisten, der von der Fahrrad- und der Autokrankheit befallen ist.
8. April 2017, 21:58
Start in die neue Saison
Der Winter war lang, manche Radfahrer und Radfahrerinnen hielten auch die neblige und kalte Jahreszeit durch, Autobenutzende fanden heuer die Winterreifenpflicht sinnvoll und Oldtimerfreunde mussten sich lange auf den Frühling freuen. Oldtimerfreunde? Da denken die meisten an Oldtimer mit Motor. Vier- oder zweirädrig heute geht es aber "In Auspuffhöhe" nicht nur um die Perspektive aus dem kleinen runden Ginettafenster, sondern auch um mechanische Kulturgüter, bei denen der Fahrer beziehungsweise die Fahrerin selbst zum Motor wird.
In beiden Fällen gilt: Die Beschäftigung mit alten Fahrzeugen hat auch oft etwas mit Jugenderinnerungen zu tun - weil man sich an das Design alter Automodelle erinnert oder weil man sich gerne daran erinnert, an Zeiten, als die große Freiheit begonnen hat.
Faszination Fahrrad
"Mit 12 ist die große Freiheit ausgebrochen", sagt Martin Strubreiter, Redakteur der "Autorevue". Er liebt besonders ältere französische Automobile und wollte mir einmal ein altes Fahrrad abkaufen, bei dem noch Teile verwendet werden, die von dem Rad stammen, das ich mit 12 bekam.
Wir treffen einander im Büro des Architekten Michael Embacher, Österreichs berühmtesten Fahrradsammler. "200", sagt er, wenn man ihn nach der Zahl seiner Sammelobjekte fragt. Er hofft, mit allen, die fahrbereit sind, in der heurigen Saison fahren zu können. In seinem Büro hängt ein nicht fahrbereites Seifenkistel, ein absolut rares Faltrad, designed von Richard Sapper, und auf einer Ablage steht ein altes rotes Di-Blasi-Faltrad mit zerfallenden weißen Trittrollerreifen.
Die Firma Di Blasi stellt übrigens auch heute noch erhältliche Faltmopeds her, für Menschen mit dem Wunsch nach "instant mobility", zum Beispiel Piloten und Yachtbesitzer, die immer ein leichtes Fortbewegungsmittel bei sich haben wollen.
Blech, Lack und Leder
Der Designer Richard Sapper schenkte seiner Frau übrigens zum Geburtstag einmal ein altes Jaguar Cabriolet. Die erste Ausfahrt endete im Regenguss, mit nassen Koffern und nassen Ledersitzen, aber das Ehepaar Sapper war begeistert. Es ist eine andere Art der Fortbewegung.
Der Autojournalist Martin Strubreiter schwärmt von den Materialen, von lackiertem Blech oder Bakelit oder vom Erstlack, der die Geschichte eines Fahrzeugs mit sich herumträgt. Zum Beispiel bei seinem Panhard Dyna Z1, Baujahr 1954, den sein Erstbesitzer 45 Jahre lang hatte (Für Mechanikliebhaber: Der Panhardmotor hat Drehstab-gefederte Ventile - Erklärung gibt es allerdings nur auf Nachfrage.). Oder bei seinem Rennrad der französischen Marke Oscar Egg - der war Schweizer Rennfahrer und begann 1927 in Paris, Räder und Komponenten zu fertigen.
Martin Strubreiters Rad stammt aus dieser Zeit, war vermutlich eine Einzelanfertigung, und der Lack erzählt eine besondere Geschichte: Der Erstbesitzer fuhr für den Diamant-Radclub in Deutschland, wollte aber wahrscheinlich kein schweres Diamant-Rennrad, sondern ein feines Oscar Egg, also ließ er sein Oscar Egg einfach in den Diamant-Farben lackieren. "Würde jemand dieses Rad neu lackieren, wäre diese Geschichte unwiederbringlich verloren", sagt Martin Strubreiter.
Fahren statt Rennen
Strubreiter schraubt an seinen Fahrrädern und Autos, Michael Embacher hat dazu bei seinen 200 Exponaten keine Zeit, und Michaela Riedl, die von englischen Sportwagen schwärmt, seit sie einen Führerschein hat, schraubte in ihrem Leben schon viele Wochenenden. Schon bei ihrer ersten Fahrt mit ihrer in England gekauften Ginetta G15 musste sie arbeiten, denn der Kofferraumdeckel hatte sich während der Fahrt selbständig gemacht.
Ihre Leidenschaft hat sich inzwischen erweitert, vom Rennfahren am Steuer oder bei Rallyes als Beifahrerin ist Riedl inzwischen mechanisch in die Zwischenkriegszeit übersiedelt und sieht die Herausforderung stärker im schlichten Fahren und nicht in der Geschwindigkeit. Im nächsten Kapitel von "In Auspuffhöhe" wird mehr von Michaela Riedl und dem Unterschied von Weg und Ziel die Rede sein.
Spadge Hopkins, der Chef von Ginetta Heritage hat übrigens sein privates Rennauto verkauft - ein Bekannter hatte seines zerstört und wollte Spadges Wagen. Im Gegensatz zu vielen Fahrzeugsammlern kann er Autos, die bei ihm landen, wieder verkaufen, Hauptsache das Kulturerbe wird erhalten. Und wie nah die Leidenschaft für Fahrräder und Autos mit Rohrrahmen liegt, zeigt eine E-Mail von Spadge, der sofort, als er von meinen Fahrradrecherchen hörte, auf einen Freund verwies, der nur eine Autostunde von ihm entfernt ein Geschäft für historische und klassische Fahrräder betreibt.
Vielleicht sollte ich mich ja wieder stärker auf das Fahrradfahren konzentrieren - schließlich kann man sofort losfahren und muss nicht zum Autoelektriker Batterie aufladen, wenn man nach dem Winter neu starten will.
Service
Michael Embacher (Hrsg.), "Smart Move", Kulturtransfer
Smart Move
Sammlung Embacher
English Sportscar Club Wien
Ginetta Heritage