Entwicklungschancen für viele Jahre?

Baustelle Sotschi

Die Olympischen Winterspiele in Vancouver sind gerade erst vorbei, die Vorbereitungen für die nächsten in Sotschi laufen auf Hochtouren. Noch ist der Ort am Schwarzen Meer als Badeort bekannt, nicht als Wintersportort. Daher muss noch viel gebaut werden.

Philip Heindl und Dietmar Fellner über Chancen und Kosten

Als die russische Stadt Sotschi im Jahr 2007 die Olympischen Winterspiele 2014 zugesprochen bekam, existierte keine einzige der notwendigen Sportstätten, und die Straßen, der Flughafen sowie die restliche Infrastruktur waren in einem Zustand, der am besten mit dem Wort "sowjetisch" beschrieben werden kann.

Die Spiele werden nicht in Sotschi selbst stattfinden, einem seit Sowjetzeit beliebten Sommerurlaubsort, sondern in zwei sogenannten Clustern. Ein Cluster liegt direkt neben dem Flughafen im Ortsteil Adler am Ufer des Schwarzen Meeres: Hier entstehen das Olympische Dorf, die Stadien und Hallen für die Eiswettbewerbe, also Eishockey, Eisschnelllauf und so weiter.

Der zweite Cluster befindet sich im Bergdorf Krasnaja Poljana, etwa 40 Kilometer im Landesinneren: Hier werden Ski- und Langlaufwettbewerbe ausgetragen.

Zweifel an Kostenhöhe

Sotschi hat sich 2007 bei der Bewerbung um die Olympischen Spiele gegen Salzburg durchgesetzt. Wie viel die Olympischen Spiele tatsächlich kosten werden, ist umstritten. Bei der Bewerbung hieß es, dass acht Milliarden Euro in die Vorbereitung der Spiele selbst fließen sollten, weitere acht Milliarden in die Verbesserung der Infrastruktur. Diese Zahlen gelten inzwischen als überholt.

Die Wirtschaftszeitung "Vedomosti" berichtete im Herbst, die Kosten seien inzwischen auf 24 Milliarden Euro gestiegen. "Zu Beginn hieß es, dass private Investoren etwa die Hälfte dieser Summe aufbringen sollten, auch das hat sich inzwischen verschoben", sagt Dietmar Fellner, der österreichische Handelsdelegierte in Moskau. Vielen privaten Investoren sei wegen der Krise das Geld ausgegangen, und der Staat müsse einspringen.

Oligarchen in Warteposition

Nicht alles, was privat aussieht, ist es tatsächlich auch: Einer der größten Investoren in Sotschi ist der Gaskonzern Gasprom, dem zwei Skigebiete und das größte Luxushotel gehören - Mehrheitseigentümer bei Gasprom ist der russische Staat. Ähnlich ist es bei den Russischen Eisenbahnen, ebenfalls ein Großinvestor, der in staatlichem Besitz ist.

Die großen Wirtschaftsbosse, die sogenannten Oligarchen, halten sich vorerst zurück und warten ab. Der größte Hoffnungsträger aus österreichischer Sicht ist Oleg Deripaska, mit seinem Konzern Basic Element. Deripaska war vorübergehend mit 25 Prozent am österreichischen Baukonzern Strabag beteiligt, bis er den Anteil wegen der Wirtschaftskrise wieder abgeben musste.

Basic Element ist der Betreiber des Flughafens in Sotschi, der neue Terminal ist das erste Gebäude, das speziell für die Spiele geplant und auch tatsächlich schon fertiggestellt worden ist. Gebaut wurde er von der österreichischen Strabag, erklärt der Direktor des Flughafens Sergei Licharew. Die Olympischen Spiele seien für Sotschi ein Schritt in die Zukunft.

"Wir erwarten, dass sich die Zahl der Passagiere bis zum Jahr der Spiele verdoppeln wird", sagt Licharew, "das bietet eine große Chance für den Handel, für die Gastronomie, für andere Dienstleistungen. Die Spiele sind ein sehr wichtiger Impuls, der viele weitere Investitionen nach sich ziehen wird. Die Investitionen in den neuen Terminal und das Umfeld würden sich durch die Olympischen Spiele alleine nicht amortisieren, aber wir rechnen damit, dass der Impuls weiter wirken wird, das zeigt die internationale Erfahrung mit solchen Spielen. Die Olympiade verschafft uns Entwicklungschancen für viele weitere Jahre."

Bedrohung für Ökosystem

Auf der anderen Seite des Flughafens beginnt die Straße in das Bergdorf Krasnja Poljana, sie führt 40 Kilometer durch ein enges Gebirgstal. Hier ist eine riesige Baustelle, da durch das Tal eine Hochgeschwindigkeitseisenbahn und eine Autobahn-ähnliche Straße gebaut werden. Hier sehen Umweltschützer auch das größte Problem: Erst vergangene Woche hat die UNO kritisiert, dass der Bau das empfindliche Ökosystem der Region zerstöre. Für Dmitrij Kapzov von der Organisation Umweltwacht des Nordkaukasus eine traurige Bestätigung der Warnung der lokalen Umweltschützer.

"Sotschi hat die Olympischen Spiele 2007 zugesprochen bekommen und dann ist ein Jahr lang nichts passiert", sagt Kapzov, "erst dann haben sie begonnen, sich Gedanken zu machen, wie man all diese Objekte bauen kann, und das unter sehr schwierigen Bedingungen, denn es es ist einfach nicht mehr viel Zeit. Wenn wir Zeit hätten und die Planung von einer Mannschaft gemacht würde, die wirklich qualifiziert und verantwortungsbewusst wäre, dann würden diese Spiele sehr viel weniger Schaden für die Natur mit sich bringen."

Kapzov spricht damit einen Punkt an, der für das Gelingen der Spiele wesentlich ist: Sotschi 2014 ist ein persönliches Prestigeprojekt des früheren Präsidenten und jetzigen Premierministers Wladimir Putin: "Es ist seine Olympiade, er hat sie gewonnen, er garantiert der Weltgemeinschaft mit seinem Image, dass wir diese Spiele organisieren können. Aber jetzt ist es leider seine Mannschaft, die alles zunichtemacht."

Speziallösungen und Nischen als Chance

Gerade diese Mängel bei der Planung seien aber eine Chance für ausländische Firmen, sagt der Handelsdelegierte Fellner. Die Generalunternehmer bei den großen Projekten seien ausschließlich russische Firmen, wenn es um Speziallösungen, um Nischen gehe, hätten ausländische Unternehmer aber gute Chancen, zu Aufträgen zu kommen.

So hat die Russische Eisenbahn im Jänner einen Vertrag mit der österreichischen Baufirme Alpine abgeschlossen, um Unterstützung beim Bau von Tunnels zu bekommen. Und die Pisten im olympischen Skigebiet Rasa Hutor werden von einer steirischen Firma gebaut.

Noch längst nicht alle Aufträge in Sotschi sind vergeben. Man werde aus den Spielen in Vancouver lernen und manches anderes organisieren, hieß es vom russischen Organisationskomitee zuletzt, verbunden damit sind wohl auch Änderungen bei den noch offenen Ausschreibungen und die Planung neuer Angebote. Ein guter Zeitpunkt für österreichische Unternehmen, sich noch Aufträge zu sichern, sagt Dietmar Fellner von der Außenhandelsstelle.

Mehr zur olympischen Großbaustelle London 2012 in oe1.ORF.at

Hör-Tipp
Saldo, Freitag, 26. März 2010, 9:45 Uhr

Links
Sotchi 2014
WKO - Russische Föderation
Livejournal - Markus Müller