Islamische Architektur frei von Tradition

Moscheen in Europa

Bereits Ende des 19. Jahrhundert bauten abendländische Architekten in Europa Minarette und Kuppeln, damals allerdings noch in den Gärten: Pavillons wurden im Moscheen-Stil errichtet. Wie kann eine Moschee ohne Kuppel und Minarette aussehen?

Islamische Gemeinden kennen die Enttäuschung der Nicht-Muslime, wenn diese am Tag der offenen Tür eine Moschee besuchen kommen und dann enttäuscht sind, weil das Gebetshaus nicht wie eine Sultansmoschee aussieht.

In Europa setzen sich gegenwärtig muslimische Architekten über tradierte Vorstellungen hinweg. Diese Neuinterpretation der Bauaufgabe "Moschee" stammt von der Irakerin Zaha Hadid.

Der Entwurf von Zaha Hadid ist wie eine riesige Welle aus Glas und Beton. Die Form ist den Schriftzeichen aus der Kalligrafie nachempfunden.

Islamische Gemeinden, die eine "untypische", moderne Moschee bauen, müssen sich mitunter den Vorwurf gefallen lassen, sie bauen "Camouflage-Architektur" und wollen so die Gesellschaft unterwandern. Diesen Vorwurf musste sich die islamische Gemeinde in Penzberg gefallen lassen.

Das islamische Forum in Penzberg
Der junge Architekt Alen Jaservic hat für die islamische Gemeinde in Penzberg einen Prototyp für Euro-Islam-Architektur geplant.

Bei den Nichtmuslimen im Ort ist die Moschee besonders während des Ramadan beliebt. Und zwar am Abend, wenn die Fassade zur Feier des Fastenbrechens blau hinterleuchtet wird. Dann bietet die Moschee ein Stück Fassadenkunst im ländlichen Raum.

Der Gebetsraum der Moschee in Penzberg ist frei von Orient-Kitsch.

Gläserne Transparenz als Zeichen der Annäherung

In Bad Vöslau wurde im Oktober 2009 Österreichs dritte Moschee eröffnet. Ursprünglich sollten riesige Betonminarette eine große Kuppel flankieren. Sehr bald lagen 1.600 Unterschriften der Moscheen-Gegner auf dem Schreibtisch des Bürgermeisters.

Es bedurfte eines Mediationsverfahrens, um den Frieden in der 11.000 Einwohner umfassenden Gemeinde südlich von Wien nicht zu gefährden. Der Moscheenbau kostete den Bürgermeister zahlreiche graue Haare und vier Mandate bei der Gemeinderatswahl im März 2010.

Heute beträgt die Höhe der zwei Türme noch einen Bruchteil der ursprünglich geplanten Minarette. Um jeden halben Meter wurde gefeilscht. Bei der Materialfrage gab es schnell eine Einigung: die Türme sollten aus Glas und Metall anstelle von Beton gebaut werden. Das Material Glas gefiel allen am Diskussionsprozess Beteiligten, denn es vermittelt Offenheit und Transparenz.

Die Erdgeschoßzone ist rundum verglast und die Türe steht allen offen. Wer sich der Moschee nähert, wird von Mitgliedern der islamischen Gemeinde empfangen, die froh sind, nicht mehr unter unwürdigen Bedingungen im Hinterhof beten zu müssen.

Hör-Tipp
Diagonal, Samstag, 27. März 2010, 17:05 Uhr

Mehr dazu in oe1.ORF.at

Buch-Tipp
Christian Welzbacher, "Euro-Islam Architektur. Die neuen Moscheen des Abendlandes", Verlag SUN

Link
SUN Architecture - Euro-Islam Architektur

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