Journal Panorama, Montag bis Donnerstag, 18:25 Uhr

Lehrer auf verlorenem Posten

Kampf gegen Burn-Out

Knapp mehr als die Hälfte der Lehrer und Lehrerinnen leiden unter ständiger Erschöpfung, Entkräftung oder Überlastung, kurz, einem Burn-Out-Syndrom.

Das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur hat gemeinsam mit der Gewerkschaft öffentlicher Dienst die Studie LehrerIn 2000 in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse wurden jetzt präsentiert. Allein in Wien wurden im Schuljahr 2003/04 63 Lehrer aus gesundheitlichen Gründen in den frühzeitigen Ruhestand geschickt. Statisch gesehen gehen rund ein Drittel aller Lehrkräfte wegen Krankheit in Frühpension.

Ursachen für Burn-Out

Die geringe öffentliche Anerkennung ihrer Arbeit, der Widerstand, die Verweigerung und die Verhaltensauffälligkeiten der Schüler und Schülerinnen sind die größten Belastungsfaktoren, unter denen Lehrkräfte leiden. Das hat die Studie LehrerIn 2000 ermittelt.

Die wachsenden pädagogischen Aufgaben müssen mit mangelnden Ressourcen bewältigt werden. Denn: Lehrer übernehmen Erziehungsaufgaben, die früher von den Familien geleistet wurden. Lehrer sind im Klassenzimmer auch Sozialarbeiter, Psychologen, Mediatoren und Krisenmanager, ohne dafür ausgebildet zu sein. Und dieser Mehreinsatz wird von den Behörden und von der Öffentlichkeit weder wahrgenommen - noch honoriert.

Frontalunterricht nicht zeitgemäß

Aber es gibt noch weitere Faktoren, die das Lehrer-Dasein erschweren. Vor allem die älteren AHS-Lehrer sind im Rahmen ihres Universitätsstudiums methodisch und didaktisch nicht ausreichend ausgebildet. Die Kinder können dem alten "Frontalunterricht" nicht folgen. Sie langweilen sich und werden unruhig. Die Kinder sind frustriert, und die Lehrer irritiert. Längerfristig führt dies zu Burn-Out.

Arbeitslose Lehrer

In den vergangenen zehn Jahren hat sich die die Ausbildung der AHS-Lehrer im Fachdidaktischen verbessert. Die Studierenden absolvieren Praktika, sie sind kompetenzorientiert und haben Kommunikationstraining im Studienprogramm. Diese jungen Lehrer kommen aber nicht zum Einsatz. Denn derzeit suchen rund 3.900 vorwiegend junge Lehrer eine Stelle. Sie müssen mit einer Wartezeit von vier bis fünf Jahren rechnen. Und der Bedarf an Lehrern wird weiterhin sinken.

Für diese Entwicklung sind zwei Faktoren verantwortlich. Der so genannte Landesfinanzausgleich, den die Landeshauptleute vor vier Jahren beschlossen haben. Diese Vereinbarung bindet die Lehrerzahlen an die Kopfzahl von Schülern. Österreichweit wurden dadurch 4.000 Lehrer im Pflichtschullehrerbereich eingespart. Der zweite Faktor ist der Schülerrückgang, verursacht durch geburtenschwache Jahrgänge.

Verschlechterte Rahmenbedingungen

Gleichzeitig haben sich im vergangenen Schuljahr strukturellen Rahmenbedingungen verschlechtert. Im AHS-Bereich sind die Klassenschülerzahlen auf 36 erhöht worden. Die Stunden für Stütz - und Begleitlehrer wurden gekürzt. Die Zahl der so genannten "Verhaltensoriginellen Kinder" bleibt aber gleich. Darum haben einige Lehrer zur Selbsthilfe gegriffen: Sie holen sich Hilfe in der Supervision.

Lehrer haben derzeit in Wien zwei Möglichkeiten, kostenlose Supervision in Anspruch zu nehmen. An den Pädagogischen Instituten werden Gruppenseminare angeboten. Am Lehrerberatungszentrum im 2. Wiener Gemeindebezirk werden Einzelgespräche vereinbart.

Schule ist mehr als Unterricht

Moderne Unterrichtsformen wecken die Neugier der Schüler und steigern das Leistungsniveau. Die sozialen Techniken, die notwendig sind, um Klassen zu managen, sind erlernbar. Was hilft, ist die Arbeit im Team. Denn hier können Probleme besprochen und Strategien entwickelt werden, um auch schwierige Schüler in den Klassenverband zu integrieren. Doch Lehrer sind zu Einzelkämpfern erzogen worden. Und was Berufsgruppen wie Ärzten, Krankenschwestern, Sozialarbeiten und Psychotherapeuten selbstverständlich ist, nämlich das beratende Gespräch über ihre Arbeit, diese Supervision stößt bei den Lehrern heute noch auf Widerstände.

Die Autoren der Studie LehrerIn 2000, die Wissenschafter vom SORA Institute for Social Research and Analysis, empfehlen ihren Auftraggebern, das LehrerInnen-Dienstrecht neu zu überdenken: um Leistungsanreize zu schaffen und Sonderleistungen auch honorieren zu können. Weiters empfehlen sie, das Image der Bildungsarbeit aufzuwerten.