Urteile über Josefstadt-Inszenierung gehen auseinander

Der grüne Kakadu

Szenen-Ausschnitte und Kritiker-Reaktionen

Arthur Schnitzlers Stück "Der grüne Kakadu", das bereits 1899 uraufgeführt wurde, ist seit 29. Jänner in einer Inszenierung von David Mouchtar-Samorai am Theater in der Josefstadt zu sehen. In der Spelunke zum "Grünen Kakadu" vermischen sich Schein und Realität, als an einem der dort stattfindenden Theaterabende die Französische Revolution ausbricht.

Mit wenigen Ausnahmen schneidet das Schauspielerensemble (Michael Dangl als Herzog von Cardignan, Erich Schleyer als Vicomte von Nogeant) bei der Kritik eher schlecht ab. Auch die Publikumsreaktionen waren bei der Premiere zurückhaltend.

Regie mit viel Aufwand

Was Mouchtar-Samorai betrifft, der schon unter den Direktoren Lohner und Schenk inszeniert hat, so würdigen die Tageszeitungen meist nur den Aufwand, den er betrieben hat.

Das Bühnenbild von Heinz Hauser wird unterschiedlich aufgenommen - ebenso die Voranstellung von Stefan Zweigs "Der verwandelte Komödiant" und "Impromptu de Paris", ein Dialog zwischen Theaterdirektor und Kommissär von Jean Giraudoux.

Der Standard

"Auf die ermüdenden Spaßverfügungen der auch schon wieder auslaufenden Ära Gratzer reagiert das Haus nun mit Anspielungen: Nicht weniger als zwei Vorspiele auf dem Theater muss der Zuschauer hinnehmen, ehe dann endlich Arthur Schnitzlers Revolutionsgroteske Der grüne Kakadu etatmäßig gegeben wird.", heißt es im "Standard".

Zum Ensemble: "Der Adel in Gestalt eines liederlichen Chevaliers (Erich Schleyer) ist als Liebhaber eine traurige, perfekte Fehlbesetzung, während der schutzflehende Gossen-Komödiant (Erich Dangl) sich beim Vorsprechen der berühmten Leichenrede des Mark Anton als Mensch mit wahrer Herzensbildung entpuppt."

Das Fazit des "Standard": "Ein Abend wie ein etwas mürber Kuchen. Aber der Nachgeschmack stimmt reflexiv - und das ist mehr, als man bis dato in diesem Haus während einer halben Saison erleben durfte."

Die Presse

Die Schnitzler-Groteske erfordere ein "stattliches, möglichst gleich- und hochwertiges Ensemble" Dieses habe die Josefstädter Aufführung jedoch "keineswegs zur Verfügung". Joachim Bliese, "eine Mischung aus Typ und Charakterschauspieler", überzeuge erneut als Prinzipal.

"Tatja Seibt brilliert noch einmal - als Marquise. Sonderbar: die Besetzung ihres Gatten mit Siegfried Walther, die Tigerin und das Simandl. Peter Scholz gibt der Hauptfigur des Henri viel Kraft und Wärme. Die von ihm so verzehrend geliebte "Dame" Léocadie, der auch der Herzog von Cadignan (Michael Dangl) verfallen ist, wirkt wie eine fade Nocken (Brigitte Soucek)."

Wiener Zeitung

Als "Wunder" bezeichnet die Inszenierung hingegen die "Wiener Zeitung" und bezieht sich dabei auf das "grandiose Ensemble ohne Schwachpunkte", sowie auf Regie und Bühnenbild. "Der Triumph der Aufführung besteht darin, dass Mouchtar-Samorai dieses Amüsieren bis zum Tod, dieses zu Tode Amüsieren, mit gnadenloser Kälte und Perfektion darstellt."

Das "fabelhafte Bühnenbild" verdeutliche die "Desillusion als Spiegel der Illusion, indem Heinz Hauser "die Horizontale in die Vertikale spiegelt" und damit "einen surrealistischen Effekt" erzielt.

Kurier

Aktualität habe Regisseur David Mouchtar-Samorai "nicht interessiert", so "Der Kurier". Auch der politische Aspekt des Schnitzler-Stückes gehe unter: "Dass Paris Fieber hat, die Bastille gestürmt wird und auf der Straße Köpfe auf Stangen herumgetragen werden, ist zwar zu erfahren, spürbar wird es nicht."

Mouchtar-Samorai habe sich sich auf das Spiel zwischen Realität und Illusion konzentrieren wollen, die Vorspiele von Zweig und Giraudoux seien "pädagogisch wertvoll". Was die Darsteller betrifft, heißt es im "Kurier", dass sie "das ganze Stück über Schauspieler bleiben. Dabei sollten es Schauspieler sein, die Schauspieler spielen, die vorgeben, keine Schauspieler zu sein."

Salzburger Nachrichten

"Der grüne Kakadu" sei nicht von vornherein dazu geeignet, um damit Furore zu machen, glauben die "Salzburger Nachrichten".

Der Josefstadt gelinge damit jedoch "ein achtbarer Abend": "Viel Aufwand treibt Mouchtar-Samorai für die Zeichnung des Milieus, für die Atmosphäre, für die Stimmung. Viel soll der Spiegelhintergrund dazu beitragen, der das manchmal sogar turbulente Geschehen verdoppelt."

Katharina Menhofer, Österreich 1

"Eine große Bannkraft, wie im Schnitzler-Text beschworen, besaß dieser Theaterabend leider doch nicht. Milder Applaus für Schnitzlers Kakadu, ein wenig mehr für die Schauspieler Michael Dangl, Erich Schleyer, Tatja Seibt oder Joachim Bliese, der mit dem Wirten Prospère seine erste Rolle in der Josefstadt spielt.

Das Spiel der Täuschung und Illusion hat der Regisseur David Mouchtar-Samorai mit zwei kurzen Vorspielen von Stefan Zweig und Jean Giraudoux aufgefettet. Ein witziger Dialog über Publikum und Kritiker.

Im Publikum vereint waren noch Josefstadt-Direktor Hans Gratzer, nicht mehr, aber bald wieder Josefstadt-Schauspieler Fritz Muliar, Elfriede Ott und Ossi Kollmann, Josefstadt-Liebling Karl-Heinz Hackl und Josefstadt-Kritiker Claus Peymann, der zur Zeit in Wien weilt.

Sie alle bekamen mit dem etwas lauwarmen Stück und der phasenweisen Unterhaltung keine Sensation, aber auch keinen Skandal geliefert. Schon eher theatrale Baldriantropfen, aber vielleicht sind gerade die im Moment genau das Richtige für die Josefstadt."

Tipp
Theater in der Josefstadt
"Der grüne Kakadu"
Regie: David Mouchtar - Samorai
Mit Michael Dangl, Erich Schleyer, Tatja Seibt, Peter Scholz, Brigitte Soucek u.a.
Die nächsten Vorstellungen sind am 4., 6. und 7. Februar.

Links
Der Standard - Spiel mir das Lied von der Brüderlichkeit
Die Presse - Holterdiepolter, aufwärts oder abwärts?
Wiener Zeitung - Wiener Zeitung - Desillusion als Spiegel der Illusion
Kurier - Man spielt Revolution in der Josefstadt
Salzburger Nachrichten - Salzburger Nachrichten - Schein und Wirklichkeit