Drei Modelle im Vergleich

06. Die verschiedenen Gesundheitssysteme

Es gibt weltweit keine zwei Sozialversicherungssysteme, deren Organisation, Finanzierung und Leistungsangebot gleich sind. Trotzdem kommen im Wesentlichen drei Grundmodelle zur Anwendung.

Steuerfinanziertes Modell
Das Beveridge-Modell eines staatlichen Gesundheitssystems ist nach dem Briten Sir William Beveridge benannt. Er schaffte 1942 einen nationalen Gesundheitsdienst, der vom Staat über Steuern finanziert und betrieben wurde. Ärzte und Apotheker sollten von Arbeitgebern der öffentlichen Hand beschäftigt werden. Nach Kriegsende wurde dieser Plan umgesetzt und der Nationale Gesundheitsdienst National Health Service (NHS) gegründet. Später führten auch Irland, die skandinavischen Länder sowie Spanien und Portugal ähnliche staatliche Gesundheitssysteme ein.

Sozialversicherungssystem
Das Bismarck-Modell startet 1881 mit der von Reichskanzler Fürst Otto von Bismarck initiierten "Kaiserlichen Botschaft", in der der Aufbau einer Sozialversicherung angekündigt wurde. Bismarck versuchte damit den enormen Zulauf der unteren Schichten zu sozialistischen Bewegungen einzudämmen. Grundlage ist ein Sozialversicherungssystem, das sich über einkommensabhängige Pflichtbeiträge von Arbeitnehmern und/oder Arbeitgebern finanziert. Die Leistungen werden unter staatlicher Aufsicht erbracht, und zwar meist von privaten Trägern. Für das Bismarck-Modell entschieden sich neben Deutschland fast alle mitteleuropäischen Länder und Japan. Auch die Schweiz kann zu diesem Modell gezählt werden, obwohl dort die Finanzierung über eine Kopfpauschale organisiert ist.

Private Finanzierung
Beim Markt-Modell zieht sich der Staat weit gehend aus dem Gesundheitssystem zurück. Alle Gesundheitsleistungen werden von privaten Dienstleistern bereitgestellt. Zudem wird es privat finanziert. Die staatliche Kontrolle und Aufsicht ist wie zum Beispiel in den USA auf ein Minimum reduziert.

Großbritannien
Der Nationale Gesundheitsdienst in Großbritannien (NHS) wird überwiegend über Steuermittel vom Staat finanziert. Lediglich ein geringer Teil wird mit Sozialbeiträgen abgedeckt. Versichert sind alle Bürger. Die medizinischen Leistungen sind weitgehend kostenlos. Durch private Versicherungen können Patienten eine schnellere Behandlung und medizinische Zusatzleistungen bekommen. Allgemeinmediziner und Allgemeinmedizinerinnen haben eine zentrale Funktion, weil nur sie Patienten an Fachärzte und Fachärztinnen überweisen können.
Der Vorteil des britischen Systems ist die zentrale Stellung des NHS. Dadurch ist es möglich, etwa medizinische Vorsorgemaßnahmen schneller umzusetzen. So ist die Brustkrebs-Früherkennung in Großbritannien sehr gut. Die staatliche Fürsorge hat allerdings auch Nachteile: Patienten müssen auf nicht lebensnotwendige Operationstermine viele Monate oder gar Jahre warten.

Ungarn
In unserem Nachbarland existiert seit Beginn der 1990er Jahre eine nationale Krankenversicherung, in der alle Bürger versichert sind. Finanziert wird die Versicherung durch Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Der Staat zahlt die Beiträge für Menschen ohne Einkommen. Zudem trägt er die Investitions- und Betriebskosten der medizinischen Einrichtungen und gleicht Defizite der Versicherung aus. Somit besteht in Ungarn ein Mischsystem. Alle medizinischen Leistungen übernimmt die nationale Krankenversicherung. Für Medikamente, Hilfsmittel und Zahnersatz müssen jedoch Zuzahlungen geleistet werden. Etwa 300 der wichtigsten Medikamente, mit denen die 60 häufigsten Erkrankungen behandelt werden, erstattet die Versicherung zu 90 Prozent. Bei allen anderen Arzneimitteln müssen die Patienten zwischen 30 und 50 Prozent des Preises selbst zahlen.
Ausgenommen von dieser Regelung sind Bedürftige und chronisch Kranke.

USA
Geprägt wird das US-System von privaten Versicherungen. Finanziert werden sie vor allem durch Beiträge der Arbeitgeber. Dadurch gibt es Lücken im Versicherungsschutz für Arbeitslose oder auch Angestellte in kleinen Unternehmen. Für alte Menschen und die Ärmsten gibt es staatliche Versicherungen. Trotzdem haben mehr als zehn Prozent der Bevölkerung überhaupt keinen Versicherungsschutz. Wegen des enormen Kostendrucks bei den Privatversicherungen werden allerdings gerade in den USA innovative Modelle entwickelt, in denen Qualitätsgesichtspunkte und das Behandlungsergebnis für den Patienten im Mittelpunkt stehen.

Frankreich
Die gesetzliche Krankenversicherung wird gemeinsam von Arbeitnehmern und Arbeitgebern finanziert. Hinzu kommen weitere Einnahmen zum Beispiel aus der Alkoholsteuer und einer Abgabe auf alkoholische Mixgetränke. Auch die Pharma-Werbung zahlt Abgaben an die Krankenversicherung. Weil die Krankenversicherung wie in anderen europäischen Ländern mit Finanzierungsproblemen zu kämpfen hat, werden die Leistungen immer weiter gekürzt. Gleichzeitig steigt die Selbstbeteiligung. So muss beispielsweise ein Drittel der Behandlungskosten selbst getragen werden. Viele Medikamente werden nicht mehr erstattet. Dagegen sichern sich die Franzosen zusätzlich mit privaten Versicherungen ab. In Qualität und Versorgung gilt das französische System allerdings als weltweit führend.

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