Flexiblere Wirbelsäule stabilisiert Schwangere

02. Evolutionäre Anpassung

Das Gewicht des weiblichen Rumpfes nimmt im Laufe einer Schwangerschaft um rund 31 Prozent zu - der Schwerpunkt verlagert sich nach vorne. Die Frage ist: wie kommen schwangere Frauen mit dieser Belastung zurecht?

Anthropologen von der Harvard-Universität in Cambridge haben vor zwei Jahren herausgefunden, dass die typische S-Kurvenform der Wirbelsäule bei Frauen gerade deswegen stärker ausgeprägt ist, als bei Männern.

Ein Geniestreich der Natur

Mehr Gewicht und der veränderte Schwerpunkt bei einer Schwangerschaft kann zwar durch Muskeln im unteren Rückenbereich ausgeglichen werden, das führt jedoch häufig zu Ermüdungserscheinungen und Rückenschmerzen. Um das zu verhindern, verlagern schwangere Frauen ihren Schwerpunkt, in dem sie sich im Stehen nach hinten lehnen, zeigten die Wissenschaftler bei Untersuchungen an 19 schwangeren Frauen.

Erleichtert wird diese Haltung durch einen Trick der Natur: Bei Frauen sind nämlich die letzten drei Lendenwirbel stärker nach außen gekippten - bei Männern sind es nur die letzten zwei.

Schwangere bleiben trotz Schwerkraft in Balance
Außerdem sind bei Frauen drei anstatt zwei der unteren Lendenwirbel miteinander verschränkt und somit verstärkt. Auch die Abstände zwischen den Wirbelgelenken sind größer. Dadurch werden Schwerkräfte zwischen den Wirbeln gemindert.

Schwangere können sich deshalb nach hinten beugen, um das vorne zunehmende Gewicht auszubalancieren, ohne den Rücken zu schädigen und ohne umzufallen. Die Form der Wirbel macht die Wirbelsäule flexibler. So können die Frauen trotz veränderter Schwerpunktlage eine stabile aufrechte Haltung bewahren, erklären die Forscher.

Die Anpassung ist in Urzeiten entstanden
Wahrscheinlich halfen die geschlechtsspezifischen Unterschiede der Wirbel den Frauen schon vor mindestens zwei Millionen Jahren, vermuten die Forscher. Fossile Wirbel eines frühen Vorfahren, des Australopithecus, zeigen bereits ähnliche Anpassungen wie beim heutigen Menschen.

Ohne diese Anpassung hätte eine Schwangerschaft unter damaligen Bedingungen wahrscheinlich zu großen Schmerzen und Erschöpfungszuständen geführt und hätte eine Flucht vor Feinden unmöglich gemacht. Diese evolutionäre Anpassung muss mit der Entwicklung des aufrechten Gangs einhergegangen sein, meinen die Forscher. Bei Schimpansen gibt es diesen Unterschied zwischen weiblichen und männlichen Lendenwirbeln übrigens nicht.

Zurück zu Die Wirbelsäule der Frau

Die Online-Infomappe der Sendung Radiodoktor - Medizin und Gesundheit ist ein Service von
Österreichische Apothekerkammer
Gesundheitsressort der Stadt Wien