Schaden und Nutzen früh erkannter Erkrankungen

01. Pro und Contra

Die Anwendung von Massen-Screenings im Rahmen der Krebsvorsorge ist umstritten.
Der englische Begriff Screening‘ bedeutet so viel wie "Durchsieben" oder "Durchleuchten" und beschreibt einen systematischen, auf verallgemeinerte Kriterien ausgerichteten Siebtest.
Das Problem mit solchen Verfahren ist, dass das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer bestimmten Erkrankung mit unvermeidbaren statistischen Unsicherheiten verbunden ist. Das kann zu hohen psychischen und körperlichen Belastungen führen.

Zwei Beispiele für den Nutzen
Dass die Wirksamkeit von Massen-Screenings nicht per se angezweifelt wird, zeigen bewährte Tests in der Kindermedizin. Ein gutes Beispiel liefert der so genannte Guthrie-Test. Das Neugeborenen-Screening wird seit den 1960er-Jahren international erfolgreich eingesetzt, um eine Vielzahl angeborener Stoffwechselstörungen frühzeitig zu erkennen und u.a. mit einer einfachen Diät behandeln zu können.

Ebenso positiv werden weitere Untersuchungen im Rahmen des Mutter-Kind Passes bewertet, z.B. das Screening um den so genannten Schwangerschafts-Diabetes zu entdecken. Wird diese Störung des Blutzuckerstoffwechsels früh erkannt, kann sie behandelt werden. Ohne solche Maßnahmen kann Schwangerschafts-Diabetes zu Komplikationen bei der Geburt führen.

An diesen beiden Beispielen ist gut zu erkennen, welchen Nutzen das rechtzeitige Wissen um eine Erkrankung hat.

Gegenbeispiel Mammographie
Der Nutzen von Maßnahme zur Erkennung eines Mamma-Karzinoms ist umstritten. Und das, obwohl die Mammographie von der Evidenz basierten Medizin als ein gutes Beispiel einer Früherkennungsuntersuchung eingestuft wird. Das Problem ist, dass derzeit zum Zeitpunkt der Erstdiagnose nicht unterschieden werden kann, ob ein Tumor lebensbedrohend ist, ob eine Therapie das Leben verlängert oder ob der Tumor sogar von selbst wieder verschwunden wäre. Umgekehrt werden gefährliche Tumore selten aber doch nicht erkannt.

Die Mammographie ist also trotz vergleichsweise guter Treffsicherheit nicht dazu geeignet mit 100 prozentiger Sicherheit die Art der Erkrankung festzustellen. Die Folgen sind unnötige Operationen, Krebstherapien und eine allgemeine Verunsicherung der Patientinnen. Dazu kommt die Frage: Welchen Nutzen hat das Wissen, an Krebs erkrankt zu sein? Wenn er behandelbar ist, einen großen. Wenn nicht, lebt man wahrscheinlich genauso lange, nur eben ohne zu wissen, ein Krebspatient zu sein.

Fazit
Früherkennung kann, muss aber nicht in jedem Fall von Vorteil für den Krankheitsverlauf sein. In manchen Fällen schadet eine Diagnose. Sie ist entweder falsch und es wird falsch oder nicht behandelt. Oder es gibt keine Möglichkeiten, die diagnostizierte Erkrankung zu behandeln. Auch hier überwiegt der Schaden den Nutzen, da Menschen dadurch einer enormen psychischen Belastung ausgesetzt sind. Dennoch raten auch Kritiker nicht von Screening-Angeboten ab. Jeder Mensch muss für sich entscheiden, ob er solche Untersuchungen in Anspruch nehmen will. Um diese Entscheidung treffen zu können, müssen Patientinnen und Patienten ausgewogen informiert sein. Sie müssen also sowohl über die Vor- als auch über die Nachteile aufgeklärt werden. Laut Früherkennungskritikern passiere das nicht oder in einem zu geringen Ausmaß.

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