Schaden Untersuchungen auf Prostatakrebs mehr als sie nutzen?

10. Das PSA-Screening

Beim PSA-Screening lässt die Evidenz darauf schließen, dass es keinen sehr großen Gesundheitsgewinn bringt. Wenn man die Entwicklung der letzten 15 bis 20 Jahre betrachtet, dann ist die Sterblichkeit an Prostatakrebs relativ gleichbleibend, während die Erkrankungshäufigkeit deutlich steigt. Es werden offenbar viele Prostatakarzinome entdeckt, die früher nicht entdeckt wurden. Wenn man männliche Leichen seziert, dann findet man bei 70 Prozent der 80-Jährigen ein Prostatakarzinom, wobei die meisten betroffenen Männer davon nichts davon wussten und an anderen Erkrankungen verstorben sind. Wenn man ein Prostatakarzinom beim PSA-Screening entdeckt, kommen die Betroffenen in eine klinische Schiene mit Operation, Chemotherapie etc., die häufig Nebenwirkungen hat.

Schätzungen gehen davon aus, dass bis zu 50 Prozent nach der Therapie (Operation, Bestrahlung, Chemotherapie) inkontinent oder impotent sind, und das auf Grund einer Operation, die wahrscheinlich überhaupt nicht notwendig gewesen wäre. Die wirklich aggressiv wachsenden Prostatakarzinome sind noch immer sehr schwer zu behandeln und in den Griff zu bekommen.

Das Dilemma mit der Früherkennung
Im Rahmen der jährlichen Untersuchung ab dem 45. Lebensjahr sollen eine rektale Tastuntersuchung und ein PSA-Test (prostataspezifisches Antigen) durchgeführt werden.
Das Prostata spezifische Antigen (PSA) ist ein Eiweiß, das ausschließlich in der Prostata des Mannes gebildet wird - d.h. es ist ein organspezifischer Marker. Krebszellen produzieren eine größere Menge an PSA und geben dieses vermehrt an das Blut ab. Deshalb ist der PSA-Wert bei einem Prostatakarzinom in der Regel erhöht.

Es gibt aber auch andere Ursachen für die Erhöhung des PSA-Wertes: Eine gutartige Vergrößerung der Prostata (Prostatahyperplasie), sexuelle Aktivität, längeres Radfahren, instrumentelle Eingriffe an der Harnröhre (z.B. Setzen eines Harnkatheters) oder Operationen an der Harnblase bzw. Prostata. Auch hohe Dosen an Vitamin C, Magnesium, Calcium oder Selen können den PSA-Wert deutlich verfälschen.

PSA ist also kein krebsspezifischer Marker - d.h. nicht jede Erhöhung des PSA-Werts bedeutet Prostatakrebs.

PSA-Wertbestimmung ist nicht treffsicher
Ein Beispiel: 100 Männer unterziehen sich der PSA-Kontrolle und der Test ergibt in allen Fällen eine Überschreitung des Richtwerts von 4 ng/ml. Nach bisherigen Erfahrungen weiß man, dass bei 60 bis 70 Männern trotz eines erhöhten PSA-Werts kein(!) Karzinom vorliegt.
Die Untersuchungsmethode liefert also 60 bis 70 Prozent falsch positive Ergebnisse. Diese 60 bis 70 Männer mit erhöhtem PSA-Wert, aber ohne Karzinom, sind verunsichert, müssen weitere Untersuchungen wie z.B. eine Biopsie über sich ergehen lassen und werden unter Umständen sogar operiert.

Die andere Seite: 100 Männer unterziehen sich der PSA-Kontrolle und der Richtwert von 4 ng/ml wird in keinem Fall überschritten. Dennoch haben 15 bis 20 der untersuchten Männer ein Prostatakarzinom. Die PSA-Wert-Bestimmung kann diese Karzinome, die mit einem niedrigen PSA-Wert einhergehen, natürlich nicht erkennen. Man spricht in diesem Fall von falsch negativen Untersuchungsergebnissen.

Welche Rolle spielt der PSA-Wert nun?
Von vielen Experten wird die Idee eines flächendeckend durchgeführten PSA-Screenings kritisch gesehen. Denn durch ein flächendeckendes Screening werden viele kranke Menschen "produziert", die mit den Folgen der Diagnose leben müssen.

So liegt für einen 50-jährigen Mann in der EU das Lebenszeitrisiko, an Prostatakrebs zu erkranken, bei etwa 42 Prozent. Prostatakrebs ist aber nur für drei Prozent der Todesfälle verantwortlich. Das bedeutet: Wesentlich mehr Männer sterben mit als an einem Prostatakarzinom. Der Grund dafür: Vom Beginn der Erkrankung bis zum Erreichen des gefährlichen Stadiums können zehn bis 15 Jahre vergehen. Viele der Betroffenen erleben dieses Stadium nicht mehr, weil sie zuvor bereits an anderen Erkrankungen verstorben sind.

Aggressiv oder harmlos?
Man weiß auch noch zu wenig über die unterschiedlichen Verlaufsformen. Viele Prostatakrebse wachsen langsam und metastasieren nie. Andere - vor allem die familiär gehäuft vorkommenden Karzinomformen - treten schon früh auf, sind aggressiv, metastasieren schnell und sind lebensbedrohend.

Daher ist es nicht verwunderlich, wenn medizinische Studien zeigen, dass viele Betroffene umsonst operiert werden. Andere Studien kommen wiederum zu dem Ergebnis, dass zwar die Häufigkeit der Prostatakarzinomerkrankungen und damit auch die Operationen zugenommen haben, die Sterblichkeitsrate aber gleich geblieben ist.

Trotzdem befürworten die österreichischen Selbsthilfegruppen, dass der PSA-Test im Rahmen einer Vorsorgeuntersuchung für alle Männer gratis zur Verfügung steht.
Ihre Argumentation ist natürlich auch stichhaltig. Jeder frühzeitig erkannte und geheilte Prostatakrebs ist diesen Aufwand wert!

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