Die Schauspielerin und der Raubmörder
"Die Frauen sind hier sehr keck..."
Die populäre Schauspielerin Therese Krones ist eine von mehreren Zeuginnen, die im März 1827 vor dem Untersuchungsrichter peinliche Details aus ihrer Beziehung zum Adeligen Severin von Jaroszynski, einem mutmaßlichen Raubmörder, preisgeben muss.
8. April 2017, 21:58
"Schauspielerin in dem Leopoldstädter Theater"
Am 29. März 1827, um 16:00 Uhr, nehmen über 20.000 Menschen am Leichenbegängnis Ludwig van Beethovens teil, der drei Tage zuvor gestorben ist. 20.000 Menschen - das ist im Jahr 1827 ein Zehntel der Wiener Bevölkerung. Während der Sarg mit den sterblichen Überresten des Musikgenies am Währinger Ortsfriedhof zur ewigen Ruhe gebettet wird, sitzt Therese Krones, die zu dieser Zeit populärste Schauspielerin der Stadt, vor dem Untersuchungsrichter.
Sie muss peinliche Details aus ihrem Intimleben preisgeben. Ihr Liebhaber, der polnische Adelige Severin von Jaroszynski, wird seit über einem Monat in der "Bürgerschranne", dem damaligen Stadtgerichtsgebäude und Gefangenhaus am Hohen Markt in Polizeigewahrsam gehalten. Jaroszynski wird des Mordes an dem Weltpriester und Mathematikprofessor Johann Konrad Blank verdächtigt. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Ein Hemd schreibt Theatergeschichte
In der bereits dritten Befragung von Therese Krones geht es um jegliche Art von Geschenken, die die populäre Biedermeier-Actrice von ihrem Liebhaber erhalten hat, unter anderem ein Collier, größere Geldbeträge und - ein Männerhemd. Dieses Kleidungsstück schreibt Theatergeschichte: Therese Krones trägt es am 10. November 1826 zum allerersten Mal auf der Bühne, als sie in Ferdinand Raimunds Zaubermärchen "Das Mädchen aus der Feenwelt oder Der Bauer als Millionär" in einer Hosenrolle die "Jugend" verkörpert. Das von ihr intonierte "Brüderlein fein" wird zum unsterblichen Gassenhauer.
Die Beziehungen des Severin von Jaroszynski
Therese Krones ist eine von insgesamt 92 Zeuginnen und Zeugen, die in der "Bürgerschranne" vorgeladen werden, um Aussagen über das Mordopfer Johann Konrad Blank und den vermutlichen Täter zu treffen. Severin von Jaroszynski indessen bestreitet die ihm vorgeworfene Tat hartnäckig. Insgesamt 46 langwierige Verhörtage sind notwendig, bevor die Befragungen ihren Abschluss finden. 1064 Fragen richtet der Untersuchungsrichter im Laufe mehrerer Monate an den Hauptverdächtigen.
Nach damaligem Recht ist der Fragesteller Ankläger und Verteidiger in einer Person. Um des wahren Täters habhaft zu werden, muss dieser sein Verbrechen persönlich eingestehen. Die richterlichen Vorhaltungen über die vielen gleichzeitigen (Liebes-)Beziehungen zu "Frauenzimmer" pariert der polnische Adelige mit Gedächtnislücken. Auch Therese Krones will er am Anfang seines Verhörs nicht gekannt haben. Über die Wiener Frauen meint er lakonisch: "Die Frauen sind hier sehr keck."
Vom Publikumsliebling zur Geschmähten
Nachdem das Verhältnis zwischen Severin von Jaroszynski und Therese Krones noch am Tag der Verhaftung des mutmaßlichen Täters ruchbar wird, gerät das Leben der Schauspielerin zum Spießrutenlauf: Unter Pfiffen und Buhrufen des nicht gerade zimperlichen Vorstadt-Publikums im Leopoldstädter Theater auf der heutigen Praterstraße, muss die Künstlerin von der Bühne flüchten. Die harsche Kritik ihres schwarzgalligen Schauspieler-Kollegen Ferdinand Raimund trifft die kränkliche Krones besonders schwer.
Ein mehrstrophiges Schmähgedicht wird in diesen Tagen zum Raimund’schen "Aschenlied" gesungen. Die ersten beiden Strophen lauten:
Ein Pole kommt daher
Von Stolz und Schulden schwer,
Und wenn er’s auch nicht wär’
Macht ihn die Krones leer.
Denn mancher ist so dumm
Geht mit der Krones um
Und kommt ins Kriminal,
Das ist doch sehr fatal.
Die Hinrichtung als Großereignis
Am 30. August 1827 macht sich Therese Krones auf den Weg zu einer ihrer zahlreichen Kuren nach Baden. Außerhalb der Stadttore passiert sie die Felder der Simmeringer Haide. Dort beobachtet sie von ihrer Reisekutsche aus einen Massenauflauf mit über 20.000 Schaulustigen, die sich bei der Spinnerin am Kreuz versammelt haben. Es herrscht Volksfeststimmung, eigens errichtete Buden versorgen Menschenmassen mit Erfrischungen.
Mit Ungeduld erwartet der Pöbel den Hauptdarsteller des Großereignisses: Severin von Jaroszynski - den zum Tode verurteilten Mörder des Wiener Weltpriesters Johann Konrad Blank. In Anwesenheit der Wiener Bevölkerung wird der gefallene Bonvivant und Frauenheld durch den Strang hingerichtet. Sein Leichnam wird in den späten Abendstunden vom Galgen abgenommen und ohne kirchliches Begräbnis am Richtplatz verscharrt.