Österreichische Hörspielgeschichte
02. Das Hörspiel nach 1945
29. September 2010, 00:35
Erst ab 1945 lässt sich die österreichische Hörspielgeschichte einigermaßen genau erfassen und dokumentieren. 1945 wird Österreich von den Befreiermächten in vier Besatzungszonen aufgeteilt, in welchen sich eigenständige Sendergruppen formieren:
- "Radio Wien/RAVAG" (in der russisch besetzten Zone)
- Sendergruppe "Rot-Weiß-Rot" (in Salzburg, mit Filialen in Linz und Wien)
- Sendergruppe "Alpenland" (in Steiermark und Kärnten)
- Sendergruppe "West" (in Tirol und Vorarlberg)
1955 stellt "Rot-Weiß-Rot" den Betrieb ein, alle anderen Sender werden zum unabhängigen "Österreichischen Rundfunk" zusammengefasst, mit Studios in Wien, Salzburg, Linz (Oberösterreich), Graz (Steiermark), Klagenfurt (Kärnten), Innsbruck (Tirol) und Dornbirn (Vorarlberg). 1967 kommen als Folge der großen Rundfunkreform die Landesstudios Niederösterreich und Burgenland dazu. Als so genannte "Normstudios" sind alle bis in die 1990er Jahre mit einer Literatur- und Hörspielabteilung ausgestattet.
Hörspielproduktion in den Landesstudios
Mitte der 1980er Jahre etabliert sich die bis dahin vorwiegend nur koordinierende Literatur- und Hörspielabteilung der Hörfunkintendanz auch als produzierende Redaktion und übernimmt Anfang der 1990er Jahre die gesamte Hörspielproduktion im Funkhaus Wien, da das Wiener Landesstudio dem dann auch auf die anderen Landesstudios übergreifenden Trend zum so genannten "Flächenradio" folgt. Die einzelnen Abteilungen in den Landesstudios werden gebündelt oder aufgelöst. Damit macht sich im Hörspielbereich ein rapider Konzentrationsprozess bemerkbar: Einige Studios stellen die Hörspielproduktion völlig ein, es bleiben zunächst Hörspiel-"Schwerpunktstudios": Neben dem Wiener Funkhaus noch Salzburg und Graz (1992 - 2000), danach Innsbruck (seit 2000).
Die von den Landesstudios autonom organisierte Hörspielproduktion für das Programm Österreich regional wird stark eingeschränkt, ebenso die Zahl der Hörspielsendungen. 2002 wird die bundesweite Ausstrahlung der Hörspiele im Regionalprogramm ("Literatur am Sonntag") überhaupt eingestellt. Danach gibt es das “Regional”-Hörspiel nur mehr in den Lokalprogrammen von Tirol, Oberösterreich und Steiermark. Seit 2005 hat nur mehr das Landesstudio Tirol eine nennenswerte Hörspielproduktionstätigkeit, vereinzelt werden auch im Landestudio Oberösterreich Hörspiele produziert.
Die im Auftrag der Redaktion "Literatur & Hörspiel" der Hörfunkintendanz (jetzt Hörfunkdirektion) organisierte Hörspielproduktion für das Kulturprogramm Österreich 1 bleibt jedoch seit Ende der 1980er Jahre in ihrem Umfang stabil und wird heute fast ausschließlich im Funkhaus Wien durchgeführt.
Zahlen zum Hörspiel
Im Zeitraum 3.8.1945 bis 31.10.2008 gab es insgesamt 14.364 Hörspielsendungen (ohne Lokalsendungen, Kurzhörspiele, Kunstradio, dramatisierte Funkerzählungen und andere). Davon waren 8.001 Neuproduktionen (NP), 4.547 Wiederholungen (WH) und 1.816 Übernahmen (Ü).
Der Anteil der Neuproduktionen am gesamten Hörspiel-Sendevolumen beträgt im Gesamtdurchschnitt knapp 56 Prozent, er sinkt jedoch im Lauf der Jahre stetig. Auf Grund der erläuterten Studio-Struktur bzw. von Live-Sendungen ist die Produktionstätigkeit im ersten Jahrzehnt (1945-1954) am höchsten, dann bleibt sie drei Jahrzehnte lang (1955-1984) relativ stabil bei mehr als der Hälfte des Volumens des ersten Jahrzehnts und wird im fünften Jahrzehnt (1985-1994) - insbesondere durch den Rückgang der Produktion in den Landesstudios - neuerlich fast halbiert, erreicht also kaum ein Drittel des Neuproduktionsvolumens des ersten Jahrzehnts. Mittlerweile, wir sprechen vom Jahr 2008, wird nur mehr ein Viertel aller Hörspieltermine mit Neuproduktionen bestückt. Gegenwärtig sind dies - je nach Aufwand – etwa 20 bis 25 Produktionen pro Jahr. Gleichzeitig steigt, naturgemäß, der Anteil der Wiederholungen, stärker noch jener der Übernahmen von Hörspielen aus Deutschland und der Schweiz.