Alte Einflüsse und Zeitgenössisches

04. Hörspiel-Entwicklungen

Die Orientierung des Programms als "Radiobühne" wirkte noch lange nach. Hingegen verloren Hörspielautoren wie Eugen Andergassen, Tilde Binder, Hans Hömberg, Erich Landgrebe, Werner Riemerschmied, Harald Zusanek, die einst zu den meistbeschäftigten gehört hatten, schon in den Siebziger Jahren stark an Bedeutung. Nur Franz Hiesel und Eduard König hielten sich mit ihren viel gespielten Titeln ("Programmbrot" nannte es Franz Hiesel) auch noch in den 1980er Jahren, die ansonsten einen deutlichen Spielplanumsturz einleiteten.

In der Salzburger und in der Wiener Hörspielredaktion war man inzwischen in erster Linie darauf bedacht gewesen, mit den Schauspielstars des deutschen Sprachraums bereits Bewährtes zu perfektionieren, zwischendurch auch mit imposanten Großunternehmungen wie einer fast 23-stündigen Produktion der "Letzten Tage der Menschheit" von Karl Kraus in der Regie von Hans Krendlesberger, der dabei mit 160 Darstellern und einigen Chören arbeitete.

1977 begann im Wiener Landesstudio Franz Hiesel, der in den 1960er Jahren als Dramaturg in der Hamburger Hörspielredaktion ein großer Förderer der österreichischen Literatur war, nun den Blick in umgekehrter Richtung nach außen zu richten - exemplarisch mit dem so genannten "Hörspielmuseum" (im Wiener Lokalprogramm und bei öffentlichen Vorführungen im "Literarischen Quartier der Alten Schmiede"), das dem Publikum die ganze Vielfalt des zeitgenössischen deutschen Hörspiels deutlich machte.

Einschnitte

Dennoch war es erst Manfred Mixner, der von 1983-1987 als Leiter der zentralen Hörspielabteilung für einen großen Einschnitt sorgte. Zum einen begann er, neben der Hörspielproduktion des Landesstudios Wien (die damals von Konrad Zobel geleitet wurde) im Wiener Funkhaus auch eine eigene Produktionstätigkeit im Rahmen der Hörfunkintendanz aufzubauen, vor allem aber räumte er der modernen zeitgenössischen österreichischen Literatur absoluten Vorrang im Programm ein (freilich in einem Sendeschema, das sich längerfristig als unpraktikabel herausstellen sollte).

Nach Mixners Wechsel 1987 zum Sender Freies Berlin und der Übernahme der Hörspiel-Agenden des Kulturprogramms Österreich 1 durch Konrad Zobel waren somit die Startbedingungen günstig: Franz Hiesel hatte das Publikum mit dem Hörspielgeschehen in Deutschland vertraut gemacht; Manfred Mixner hatte eine Vielzahl interessanter neuer Autoren ins Programm geholt; Götz Fritsch, schickte sich an, der wichtigste Hörspielregisseur in Österreich zu werden (mit unzähligen Inszenierungen auch in deutschen Sendeanstalten) und der Leiter der Hörspielgeschicke des Landesstudios Salzburg, Klaus Gmeiner, war ein qualitätsbewusster Vertreter der positiven Aspekte der Hörspieltradition, dessen Produktionen in den Festspielsommern dem Programm Österreich 1 regelmäßig zu künstlerischen Highlights verhalf; und schließlich hatte der ORF hervorragende Studio-Techniker/innen, deren Anteil an der Qualität der österreichischen Hörspielproduktion nicht überschätzt werden kann.

Bereits im Jänner 1995 kam es im Wiener Funkhaus zur volldigitalen Hörspielproduktion auf harddisk-recording-Basis (die digitale Aufzeichnung von Musikproduktionen fand bereits 1988 statt). Und unter der Führung von Gerhard Wieser erreichte das vielköpfige Wiener Hörspieltechnik-Team schließlich einen im ganzen deutschen Sprachraum geschätzten Standard und den Ruf einzigartiger Flexibilität, was auch dazu führte, dass immer öfter Großproduktionen von ARD-Anstalten im Wiener Funkhaus durchgeführt wurden

Neue Standards und Ziele

Nun galt es, den Kontakt zu den interessantesten Exponenten der Literatur in Österreich weiter auszubauen. Schon während seiner Zeit im Wiener Landesstudio hatte Konrad Zobel begonnen, die Produktionszeiten auf den Standard deutscher Hörspielstudios anzuheben (zuvor mussten Hörspiele mitunter in drei Tagen produziert werden, Halbstunden-Hörspiele an einem Tag), was wesentlich zur Qualitätsverbesserung der Produktionen beitrug. Mit dem Engagement neuer Regisseure (und endlich auch von Regisseurinnen) konnte eine Vielfalt ästhetischer Zugänge gesichert werden.

Darüber hinaus wurde es notwendig, durch eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit oder mit Großveranstaltungen, wie der inzwischen traditionellen "Langen Nacht des Hörspiels", das Hörspiel auch außerhalb des Programms zu "promoten" (dies umso mehr, als die vielfältigen Versuche, zu einer regelmäßigen Hörspielkritik in den Tageszeitungen anzuregen, leider keinen dauerhaften Erfolg hatten). Hauptziel jedoch war es, durch eine ausgewogene, pluralistische Spielplangestaltung in unterschiedlich positionierten Sendegefäßen ein möglichst breites Publikumsspektrum anzusprechen. Letztere Aufgabe wurde immer wichtiger, denn mit der ständigen Reduktion der Hörspielaktivitäten in den Landesstudios (die damit auch immer weniger Produktionen für Ö1 liefern konnten) und dem weit gehenden Verschwinden des Hörspielgenres aus dem regionalen Programm wurde nun die zentrale Steuerung des Hörspielgeschehens immer ausgeprägter. Es galt also zu verhindern, dass der Wegfall der redaktionellen Personalstärke in den Bundesländern auch zu einer künstlerischen Verengung des Angebots führte.