Kunstradio, Produktionsvielfalt und Kurzhörspiele

05. Innovationen seit 1987

Dem Niedergang der "regionalen" Hörspielproduktion steht gleichzeitig eine äußerst positive Entwicklung entgegen. Denn die größten Innovationen resultierten gleichzeitig aus der schon 1987 von Heidi Grundmann in der Kulturredaktion neu geschaffenen, heute von Elisabeth Zimmermann im Rahmen der Abteilung "Literatur, Hörspiel & Feature" geleiteten Sendereihe "Kunstradio-Radiokunst". Diese hat den Bereich der radiophonen Kunst in Österreich radikal ausgeweitet: Geräusch- und Klangwerke, sowie künstlerische Reflektionen der medialen Vorgaben des Radios durch bildende Künstler und Musiker etablierten das Radiokunstwerk auch jenseits literarischer Vorlagen und entwickelten mit so genannten telematischen Arbeiten eine Vernetzung verschiedenster medialer Ebenen (vor allem auch des Internets). Solche und ähnliche Produktionen werden zwar durch die zentrale Hörspielabteilung administriert, entstehen aber weitgehend in Eigenregie der Künstlerinnen und Künstler. Diese sorgen seither für eine offene Entwicklung des Radios als Kunstfaktor und sind auch in der Nutzung der 5.1-Technik führend. Mehr dazu auf der Homepage des Kunstradios.

Reduktion von Budget und Längen

Ein nicht unerheblicher Faktor der Ö1 Hörspielproduktion der letzten beiden Jahrzehnte war das schrumpfende Budget. Dieses hatte allerdings insofern keine negativen Auswirkungen auf das Programm, als eine Reduktion der Sendelänge (nur mehr in äußerst seltenen Ausnahmefällen werden Hörspiele produziert, die über eine Stunde lang sind) ohnehin der Veränderung der Hörgewohnheiten entsprach. Durch den weitgehenden Verzicht auf die Produktion von Theaterklassikern sank auch der Aufwand bei der benötigten Zahl der Rollen/Schauspieler. Ein Glücksfall ist natürlich der Umstand, dass Wien als Theaterstadt in diesem Zeitraum auch vermehrt Schauspielstars aus dem gesamten deutschen Sprachraum anzog, die damit ohne Reisespesen zur Verfügung standen.

Durch die Budgetkürzungen wurde allerdings auch eine äußerst bedauerliche Maßnahme notwendig: Wie schon bisher bei verlagsgebundenen Hörspieltexten üblich, wurde ab 2003 auch bei verlagsungebundenen Hörspieltexten vom ORF nur mehr das Senderecht abgegolten und auf den Ankauf des Werkrechts verzichtet. Dies kommt bei der Erstausstrahlung eines Hörspiels einer Halbierung des Honorars für den Autor oder die Autorin gleich. Dennoch hält das Interesse der österreichischen Autorinnen und Autoren am Hörspiel-Genre unvermindert an. Die Erstellung eines interessanten Spielplans ist weiterhin möglich.

Hörspielproduktion für alle

Eine sehr wesentliche und in ihren Folgewirkungen noch gar nicht abzuschätzende Veränderung in der Produktion von Hörspielen kam in der letzten Dekade aber nicht aus den Rundfunkanstalten selbst, sondern wurde, wie so oft in der Geschichte des Mediums, durch eine technologische Entwicklung ausgelöst.

Jahrzehntelang hatten Rundfunkanstalten das "Produktionsmonopol" auf Hörspiele inne. Hörspiele konnten, überspitzt formuliert, entweder in Rundfunkanstalten produziert werden - oder gar nicht. Nur in den Studios der - zumeist öffentlich-rechtlichen - Sender gab es die notwendigen technischen Einrichtungen und entsprechend geschultes Personal. Nur die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten verfügten über entsprechende Kapazitäten, um Hörspiele produzieren zu können.

Der entscheidene Bruch kam mit der sogenannten digitalen Revolution. Die technischen Möglichkeiten wurden dadurch "demokratisiert", Hörspiele konnten bei entsprechendem Willen und einem entsprechenden technischen Interesse auf jedem leistungsfähigeren Computer hergestellt werden. Hörspiele müssen nicht mehr unbedingt geschrieben und anschließend in einem Rundfunkstudio produziert werden, Hörspiele können auch selbst "gemacht" werden. Dadurch wird einerseits das so genannte "literarische Hörspiel" ein wenig in den Hintergrund gedrängt, andererseits werden die Möglichkeiten des Genres dadurch ohne Frage erweitert.

Kurzhörspiele

Vor allem die Produktion von Kurzhörspielen wird und wurde durch die neuen technischen Möglichkeiten enorm angeregt. Der ORF trägt dieser Entwicklung durch den jährlich ausgeschriebenen Kurzhörspielwettbewerb "Track 5'" ebenso Rechnung wie durch die besondere Berücksichtigung von Kurzhörspielen im Radioprogramm. Allein im Jahr 2008 sendete Ö1 in seiner Dienstagabendleiste, dem "Hörspiel-Studio", mehr als drei Dutzend Kurzhörspiele.