Handke liest Handke

Lucie im Wald mit den Dingsda

Es sei das Schönste, was man im Leben tun könne: eine schöne Geschichte erzählen, sagt Peter Handke über seine "Lucie". Eine geheimnisvolle Erzählung über die unendlichen Variationen der Liebe, in Handkes Worten und mit Handkes Stimme erzählt.

Eines der schönsten, kleinen Werke Peter Handkes, für Kinder gleichermaßen wie für Erwachsene gedacht, ist von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen worden: die Erzählung "Lucie im Wald mit den Dingsda". Sie erschien 1999 und, wieder aufgelegt, 2004 bei Suhrkamp, ist mit Skizzen und Fotos des Autors illustriert, führt in tiefe Wälder und eine Großstadt und erzählt von einem Mädchen, das auszog, mit den "Dingsda" wahre Wunder zu vollbringen.

Märchen über die Wirklichkeit

Die Geschichte ist ein Märchen und zugleich eine höchst präzise Erzählung über unsere Wirklichkeit. Neben Handkes bewegender Sprache und poetischer Bildkraft ist "Lucie" eine vielstimmige, mitunter ironische Miniatur, die viele der großen Themen des Autors in sich birgt und variiert: Augen öffnende Naturbeobachtung, Kunst der feinsten Unterscheidung in Dingen oder Gedanken, Solidarität mit den Schwachen, den Ausgestoßenen und Flüchtlingen und liebevolle Hinneigung zum Kind. Eine Prosa, die voll Zärtlichkeit ist und die die Menschen mit Wärme umschließt - schreiben, Geschichten erzählen für eine friedliche Welt.

Tausenderlei "Dingsda"

"Lucie im Wald mit den Dingsda" ist auch eine hinreißende kleine Familiengeschichte. Der Vater, ein Zitterer, mit dem kein Staat zu machen ist, die Mutter eine schöne und erfolgreiche Kriminologin, das Mädchen neugierig, eigenwillig und wach für Sein und Schein und Differenz.

Das Zuhause und die Vorstadt, der Wald mit den tausenderlei "Dingsda" und die Metropole mit den Menschenmassen bilden die Szenerie für das Geschehen. Heiter, überraschend, wirklichkeitsnah. "Kein Tag ohne Suche", heißt es an einer Stelle. Bis die Geschichte plötzlich aus der Beschaulichkeit in die Bedrohung kippt, in die Spannung auf Leben und Tod, und die Suche schließlich lebensentscheidend wird.

Die unendlichen Variationen der Liebe

Ein schmales Buch und eine geheimnisvolle Erzählung über die unendlichen Variationen der Liebe. Vielleicht auch ein Weiterklingen, das von Handkes Worten und seiner Stimme zu uns findet und uns fragen lässt: Was sehen wir, was bewegt uns, wovor erzittern wir und welchen Weg finden wir, um einem Unschuldigen aus der Todeszelle in die Freiheit zu verhelfen?

"Es ist das Schönste, was man im Leben tun könne: eine schöne Geschichte zu erzählen", sagt Peter Handke über seine "Lucie". "Es ist auch etwas sehr Seltenes, dass eine Geschichte anrührt, ohne Logik oder so etwas zur Hand zu nehmen, anrührt an oder gegen das einbetonierte Leben. Da wird alles weich und doch strukturiert, alles wird lebendig."

Gelesen hat Peter Handke seine Erzählung "Lucie im Wald mit den Dingsda" und Maultrommel gespielt bei sich zu Hause am Rande der Wälder von Versailles, an einem windigen Februartag, an dem es zu schneien begann.

service

Peter Handke, "Lucie im Wald mit den Dingsda", 2 CDs,
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Das Buch ist im Suhrkamp-Verlag erschienen.