Eine Reise durch die Niederlande
Schiffswerften, Gouda-Kaas und Grachten
Die Niederlande, begrenzt von Belgien, Deutschland und der Nordsee, zählen zu den am dichtest besiedelten Ländern der Welt. Etwa die Hälfte der Landesfläche liegt unter dem Meeresspiegel. Unsere Rundreise beginnt in Gouda.
8. April 2017, 21:58
"Die Niederländer haben sich immer für die Ferne interessiert, sind um die Welt gesegelt, haben Handelsniederlassungen gegründet. Wir haben so ein kleines Land, wir müssen in die Ferne schweifen - oder in den Weltraum..."
Dieser kleine Exkurs über die niederländischen Expansionsmotivationen stammt von Tanja Masson-Zwaan. Ihr Arbeitsschwerpunkt ist das Weltraumrecht. Eine Spezialdisziplin innerhalb der Rechtswissenschaften, die an der Universität von Leiden, der ältesten Hochschule der Niederlande, gelehrt wird.
Ballungsraum unter dem Meeresspiegel
Die Niederlande - von Belgien, Deutschland und der Nordsee begrenzt, zählen zu den am dichtest besiedelten Ländern der Welt. Allein im Ballungsraum Randstad, der sich zwischen Amsterdam, Ütrecht und Den Haag erstreckt und ein Fünftel des gesamten Landes ausmacht, leben über sieben Millionen Menschen. Etwas weniger als die Hälfte der Niederlande liegt um den Meeresspiegel oder darunter. Rhein, Maas und Schelde sind die dominanten Flüsse, die das Land durchqueren. Wasser ist also immer ein Thema - ob als Verkehrsweg, als etwas, wovor es sich zu schützen gilt oder das man durch künstliche Landgewinnung zurückzudrängen versucht. Dies gilt in spezieller Weise für Rotterdam, das an manchen Stellen bis zu sechs Meter unter dem Meeresspiegel liegt.
Käse & Bier
Für österreichische Gäste hält das Städtchen Gouda eine weithin sichtbare Überraschung bereit - seine rot-weiß-rote Stadtflagge. Sie ist eine Reverenz an den erwählten Schutzpatron der Stadt, an Johannes den Täufer. Rot, so heißt es, steht für sein Blut und weiß für die Reinheit seiner Gedanken.
Einst war das Gebiet, wo heute Gouda steht, ein unwirtliches Sumpfland. Nach seiner Trockenlegung und dem Bau der Schutzdämme, begann die Erfolgsgeschichte der kleinen Stadt. Am Zusammenfluss von Ijssel und Gouwe gelegen, entwickelte sich bald ein Hafen und damit kam Gouda auf die Landkarte einer der wichtigsten Handelsrouten zwischen den Niederlanden, Frankreich und dem Baltikum. Seuchen, Brände und Plünderungen stoppten den Erfolgskurs der Stadt zwischenzeitlich. Bierbrauereien, Handel und Käseproduktion brachten Gouda aber den wirtschaftlichen Aufschwung wieder. Besonders der von den Bauern der Umgebung erzeugte Weichkäse, der Gouda, wurde zu einer Erfolgsgeschichte.
Dem Käsehandel ist letztendlich auch das klassizistische Gebäude an der Nordseite des Marktplatzes zu verdanken, in dem heute das Käsemuseum untergebracht ist. Pieter Post, einer der bedeutendsten Architekten seiner Zeit, erbaute 1668 das Waaghaus, in dem die für den Handel so wichtige Käsewaage untergebracht war. Zum Markttag kamen die Bauern aus der Umgebung mit Pferdekarren angefahren, um ihren Gouda auf dem großen Platz der Stadt möglichst teuer zu verkaufen. Als Reminiszenz an diese alte Tradition des Käsehandels werden die Verkaufsrituale bis heute nachgestellt: praktisch bei den sommerlichen Markttagen und theoretisch im Käsemuseum von Gouda.
Symbol für den Wirtschaftsaufschwung
Rotterdam, im Zweiten Weltkrieg großflächig zerstört, gilt als Symbol für den Wirtschaftsaufschwung in den Niederlanden. In der inneren Stadt erinnert wenig an eine traditionelle, alte, europäische Metropole. Gebäude wie der 186 Meter hohe Euromast, die Wohn- und Bürohochhäuser, sowie die Hotels in zentraler Lage verleihen Rotterdam den Charakter einer modernen Stadt, deren Architektur eher funktional als verspielt wirkt.
Kleine Ausnahme ist die Erasmusbrücke mit ihrem hoch aufragenden Mittelpfeiler, der an einen Schwan erinnert. Sie führt über die Niewe Maas und ist nach dem Humanisten Erasmus von Rotterdam benannt. In den 1960er Jahren erlebte Rotterdam, nicht zuletzt aufgrund seiner Hafenexpansion, einen wirtschaftlichen Boom, der auch Arbeitskräfte aus den ehemaligen Kolonien der Niederlande anzog.
Stadtentwicklung und Integrationspolitik im Ballungsraum sind seither für die Stadtverwaltung und für den derzeit amtierenden Bürgermeister Ahmed Aboutaleb stets präsente Themen.
Seit der verheerenden Sturmflut von 1953, die das Küstengebiet der Niederlande großflächig zerstörte, ist Rotterdam durch eine Sturmflutwehr geschützt. Wer das Hafengebiet von Rotterdam abfahren möchte, muss mittlerweile über 40 Kilometer zurücklegen. Südlich der Maasmündung am Rand der Nordsee befindet sich eine künstlich aufgeschüttete Insellandschaft, ein Landgewinnungsprojekt, das noch weiter entwickelt werden soll.
Eine Fahrt auf einem der Ausflugsschiffe entlang der Werften und der vor Anker liegenden Containerschiffe bis zum Rand der Nordsee lässt die Bedeutung des großen Seehafens von Rotterdam erahnen.
Universitätsstadt mit Stil
Leiden liegt zwischen Amsterdam und Den Haag und beherbergt die älteste Universität des Landes. Die Geschichte der Hochschule reicht zurück bis in das Jahr 1575. Zu dieser Zeit waren die Niederlande bereits in den Achtzigjährigen Krieg gegen die spanischen Habsburger verwickelt, der mit dem Westfälischen Frieden von 1648 sein Ende fand und zur Unabhängigkeit der Niederlande führte.
Im Widerstand gegen die spanischen Besatzer hatte sich die Bevölkerung von Leiden als tapfer und unbeugsam erwiesen. Über den 1574 amtierenden Bürgermeister van der Werf erzählt man sich, er hätte während der spanischen Belagerung von Leiden der hungernden Bevölkerung eher seinen Arm zum Verzehr gegeben als zu kapitulieren. Für diese Unbeirrbarkeit dankte ihm Leiden später mit einem nach ihm benannten Park und einer Büste.
Die unbeugsame Haltung der Leidener lockte damals Protestanten aus den von den Spaniern eroberten Gebieten in die Stadt. Auch Maler wie Rembrandt und Wissenschaftler wie Antoni van Leewenhuk, der Entdecker der Bakterien, ließen sich für einige Zeit dort nieder. Im Laufe der Jahrhunderte entwickelte sich in Leiden nicht zuletzt aufgrund der Universität ein reges intellektuelles Leben. Studierende aus allen Teilen des Landes kamen auf die Hochschule, die unter anderem auch immer wieder Studienrichtungen jenseits des akademischen Mainstreams im Angebot führte. Heute präsentiert sich Leiden als überschaubare Universitätsstadt vor den Toren von Amsterdam.
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