Menschenrechtsgerichtshof gegen Österreich

Wahlrecht für Häftlinge

In Österreich sind Häftlinge mit längeren Gefängnisstrafen grundsätzlich vom Wahlrecht bei Nationalratswahlen ausgeschlossen. Das hält der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte für falsch. Anlass für diese noch nicht rechtskräftige Entscheidung war Klage eines inzwischen freigelassenen österreichischen Häftlings.

Morgenjournal, 09.04.2010

Regel der Wahlordnung

Wer nicht wählen darf, das regelt die geltende Nationalratswahlordnung: Gemäß Paragraph 22 ist vom Wahlrecht ausgeschlossen, wer zu einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden ist.

Zug durch die Instanzen

Anlässlich der Nationalratswahl 2002 hat ein damaliger Häftling gegen diese Ausschließung bei der Wahlbehörde Einspruch erhoben. Der wurde abgewiesen, ein Jahr später sah auch der Österreichische Verfassungsgerichtshof die geltende Regelung als verfassungsmäßig korrekt an. "Der Mann hat daraufhin beim Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg Klage erhoben und sich wegen einer Verletzung seines Rechts auf freie Wahlen beschwert", sagt Nina Salomon vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Die Anrufung des Gerichts erfolgte im Jahr 2004.

Entscheidendes Merkmal einer Demokratie

Jetzt - der Kläger ist inzwischen wieder frei - liegt die Entscheidung vor. Und die geht unabhängig vom Einzelfall ins Grundsätzliche: Mit dem gestrigen Urteil habe der Gerichtshof dem Beschwerdeführer Recht gegeben, mit der Begründung: Das Recht auf freie Wahlen sei ein entscheidendes Merkmal eines demokratischen Systems. Zwar könne das Wahlrecht eingeschränkt werden, doch dürfe der Wesenskern dieses Rechts nicht angetastet werden, sagt Nina Salomon vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

Republik muss 5.000 Euro zahlen

Die Gründe für eine Wahlausschließung in Österreich sind demnach also zu ungenau. Der Gerichtshof hat Österreich zu einer Entschädigungszahlung von 5.000 Euro an den Kläger verurteilt.

Ob nun die Nationalratswahlordnung so geändert wird, dass sie der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschrechte nachkommt, ist offen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, Österreich hat drei Monate Zeit für einen Einspruch.

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