Diskriminierung am Wohnungsmarkt?
Belgien: Sprachenstreit flammt wieder auf
Der belgische Sprachenstreit spitzt sich neuerlich zu: Flämischsprachige Gemeinden rund um Brüssel wollen verhindern, dass sich französischsprachige Belgier ansiedeln. Der Konflikt flammt ausgerechnet wenige Monate, bevor Belgien den EU-Ratsvorsitz übernimmt, wieder auf.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal
Flamen wollen unter sich bleiben
Das muntere Sprachengewirr in der Hauptstadt Brüssel verstummt, sobald der Speckgürtel der Stadt erreicht ist. Brüssel, wo vorwiegend Französisch gesprochen wird, ist umgeben von flämischen Gemeinden - Gemeinden mit hoher Lebensqualität und meist günstigeren Baugründen. Doch nicht jeder soll sich hier ansiedeln, darauf weisen schon die Verkaufsschilder an den Baustellen hin.
Interessenten werden geprüft
Die neuen Häuser und Wohnkomplexe werden lediglich auf Niederländisch angepriesen - Flamen sollen sich ansiedeln und nicht noch mehr Menschen, die Französisch sprechen. Diese illegalen Bauabsprachen haben System, wie die der Bürgermeister von Overijse, Dirk Brankaer, im flämischen Fernsehen bestätigt: "Der Verkäufer der Wohnungen muss dem Bürgermeister die Interessenten nennen." Zwischenfrage: Und die werden dann überprüft? "Ja, die werden dann überprüft."
Frankophone fühlen sich diskriminiert
Geachtet wird darauf, dass die potentiellen neuen Gemeindebürger Flämisch, also die belgische Form von Niederländisch sprechen. Abgewiesene französischsprachige Belgier fühlen sich im eigenen Land diskriminiert, beschwert sich Damien Thiery, der Bürgermeister von Linkenbeek: "Das ist Protektionismus. Diese Maßnahme ist gegen französischsprachige Belgier gerichtet. Bald wird es das wohl auch gegen Marokkaner oder gegen Schwarze geben. Das ist inakzeptabler Rassismus in einem demokratischen Land."
"Unerhört und inakzeptabel"
Nicht nur frankophone, sondern auch flämische Politiker verurteilen die illegalen Bauabsprachen. Zumal der Zeitpunkt für das Bekanntwerden des Skandals höchst ungelegen kommt. Benoît Cerexhe, der Wirtschaftsminister der Brüsseler Stadtregierung: "Ich finde das unerhört. Belgien übernimmt im Juli den EU-Ratsvorsitz, und nur wenige hunderte Meter von der Hauptstadt Europas entfernt wird ein Verhalten an den Tag gelegt, das völlig diskriminierend ist. Das ist inakzeptabel."
Beschwerden bei der EU-Kommission
Inakzeptabel - und ein Verstoß gegen EU-Recht: Zwei betroffene Bürger haben bei der EU-Kommission Beschwerde eingelegt, bestätigt Chantal Hugues, die Sprecherin der EU-Kommission: "Die Kommission hat keine spezielle Kompetenz, was die Sprachen anlangt, trotzdem erwarten wir uns, dass die Sprache nicht als Mittel zur Spaltung verwendet wird. Wir haben zwei Klagen erhalten wegen möglicher Verstöße gegen die Grundrechte, vor allem was den Kauf von privatem Eigentum betrifft." Doch die Vergangenheit zeigt, dass frühere Beschwerden bei der EU-Kommission, die mit dem belgischen Sprachenstreit zusammenhängen, ohne weitreichende Folgen blieben.